Pressemitteilung

30.Januar 2014

Kern: Grün-Rot soll Bürger beim Ganztagsausbau nicht bevormunden

In einer Landtagsdebatte zur Ganztagsschul-Vereinbarung zwischen Land und Kommunen sagte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Timm Kern:

„Die FDP-Landtagsfraktion begrüßt, dass die grün-rote Landesregierung nicht zuletzt aufgrund des liberalen Gesetzentwurfs zur Ganztagsschule wenigstens in diesem Bereich der Bildungspolitik einen Schritt vorangekommen ist. Trotzdem wollen wir nicht verschweigen, dass sich im Ganztagesschulbereich grün-rote und liberale Schulpolitiker deutlich voneinander unterscheiden. Denn die grün-rote Ganztagskonzeption atmet keinen liberalen, keinen freiheitlichen Geist. Wenn der SPD-Vorsitzende und der Kultusminister das Motto ausrufen: ‚So viel Rhythmisierung wie möglich’, so heißt dies im Grunde ja nichts anderes als: ‚Das grün-rote Ziel ist die verpflichtende Ganztagsschule für alle’. Uns Liberalen ist der Elternwille ein sehr hohes Gut. So wie Grün-Rot aber das Thema Ganztagesschulen angeht, wird ganz konkret die Respektierung des Elternwillens gefährdet.

In meine Bürgersprechstunde kam vor etwa einem halben Jahr eine besorgte Mutter. Sie erzählte mir, dass sie fünf Kinder habe und sich ganz bewusst für eine Großfamilie entschieden habe. Nun sei aber in der benachbarten Kommune geplant, eine Gemeinschaftsschule einzurichten. Sie fragte mich, ob denn jede Gemeinschaftsschule immer auch verpflichtende Ganztagesschule sei, was ich ihr leider bestätigen musste. Dann sagte sie mir: ‚Aber ich hab’ doch nicht fünf Kinder in die Welt gesetzt, damit sie dann den größten Teil des Tages in der Schule sind‘. Aus der Sicht der FDP ist dieses Problem, das wir schon jetzt keineswegs nur im ländlichen Raum haben, keine Petitesse: Wie sollen sich denn Eltern helfen, wenn die einzige Schule in zumutbarer Entfernung eine verpflichtende Ganztagesschule ist, wie beispielsweise eine Gemeinschaftsschule?

Für Grün-Rot ist die verpflichtende Ganztagesschule das einzig selig-machende schulische Betreuungsangebot. Bei unserem Gesetzesentwurf, den Grün-Rot mit Regierungsmehrheit niedergestimmt hat, steht dagegen die offene Ganztagesschule im Mittelpunkt. Wenn die Landesregierung bei ihrem grün-roten Pflicht-Kurs bleibt, werden die Koalitionspartner gerade im ländlichen Bereich große Unzufriedenheit in der Bevölkerung auslösen. Denn was wird passieren, wenn sich eine knappe Mehrheit vor Ort für das Modell der verpflichtenden Ganztagesschule ausspricht, sei es, weil sie aus privaten Gründen gebraucht wird, sei es, weil es mehr Ressourcen für dieses Modell gibt? Dann wird es eine sehr unzufriedene, starke Minderheit vor Ort geben. Und dieses Problem wird vor allem im Grundschulbereich noch drängender sein als bei den weiterführenden Schulen.

Aber vielleicht führt die Landesregierung auch etwas anderes im Schilde. Denn die Gymnasien und ganz überwiegend die Realschulen weigern sich, Gemeinschaftsschule werden zu wollen. Nun wird der Gemeinschaftsschule aber ohne Realschüler und Gymnasiasten kein Erfolg beschieden sein. Da bleibt nur noch die Möglichkeit, die Schülerinnen und Schüler frühzeitig an die Gemeinschaftsschule zu binden. Da die Gemeinschaftsschule idealer Weise schon als Grundschule startet, im Grunde also eine zehnjährige Grundschule ist und zudem stets verpflichtende Ganztagsschule, liegt es doch nahe, den anstehenden Ausbau der Grundschulen zu Ganztagsschulen mit dem Gemeinschaftsschulausbau zu verknüpfen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass das grün-rote Ganztagsschulkonzept anders als der liberale Gesetzentwurf nicht auf den Zustimmungsvorbehalt der Schulverwaltung verzichten will. Will heißen, wenn ein Schulträger einen Antrag auf Umwandlung in Ganztagsgrundschule stellt, kann die Schulverwaltung ihn nochmal nach Hause schicken mit dem Hinweis: ‚Eure Ganztagsgrundschule ist zu wenig gemeinschaftsschulfähig. Bitte nacharbeiten!‘

Hier kann man die grün-rote Landesregierung nur warnen, die Ganztagsschulfrage mit der Gemeinschaftsschulfrage zu verknüpfen.  Nach all den bildungspolitischen  Zumutungen der Koalition seit 2011 werden sich die Bürgerinnen und Bürger kaum ein weiteres Mal ideologisch-dilettantisch bevormunden lassen, weder offen noch durch die Hintertür, wenn es um die Zukunft ihrer Kinder geht. Die FDP-Landtagsfraktion appelliert an die Landesregierung, die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg ernst zu nehmen, auf Bevormundung zu verzichten und endlich den mündigen Bürger zum Prinzip bildungspolitischen Handelns zu machen.“

Kern forderte im Namen der FDP-Fraktion noch einmal die dringend benötigte Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land und den Trägern außerschulischer Bildungsangebote ein: „Die Vereine und Verbände insbesondere in den Bereichen Musik, Sport und Jugendarbeit haben dies immer wieder angemahnt, zuletzt im Rahmen der Anhörung zu unserem Gesetzentwurf. Zu Recht weisen sie darauf hin, dass eine Ganztagsschule ohne die Einbindung in ihr gesellschaftliches Umfeld Stückwerk bleibt. Aber womöglich haben Grüne und SPD gar nicht die Absicht, ihre Ganztagsschule als gesellschaftlich offene Schule auszugestalten, und schützen die finanziellen Hinderungsgründe für eine Kooperationsvereinbarung nur vor. Zur Zielvorstellung einer zehnjährigen Pflicht-Ganztags-Grundschule passt natürlich auch eine in sich geschlossene Schule besser. Via Bildungsplan hat man dann den Daumen drauf, was die Schülerinnen und Schüler lernen und welche Gesinnung sie annehmen sollen. Und die Gemeinschaftsschule hat ja ohnehin den Anspruch, alles zu können – also wozu braucht man da noch außerschulische Partner? Wenn jetzt auch noch die Vereine und lokalen Institutionen und Initiativen, die unser gesellschaftliches Leben vielfältig und wertvoll machen und übrigens in einem umfassenden Sinne Bildungsarbeit leisten, wenn diese nun aus der Schule gedrängt werden, muss sich Grün-Rot den Vorwurf gefallen lassen, für die gesellschaftliche Verödung einzutreten. Während Sie von Grün-Rot natürlich genau wissen, was gut für die Bürgerinnen und Bürger ist, würden wir das gerne den Bürgerinnen und Bürgern selbst überlassen. So geht es heute im Kern um die Frage, ob gesellschaftliche Vielfalt oder grün-rote Einfalt zukünftig das Leitbild der Ganztagsschulen sein soll.“

 

 

Weitere Pressemitteilungen zum Thema