Pressemitteilung

02.Oktober 2013

Positionspapier der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz

Ganztagsschulen sowie Schulen mit Ganztagsangeboten kommen als Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft wie unserer Wirtschaft eine entscheidende Bedeutung zu. Es ist unter Bildungswissenschaftlern und Praktikern nahezu unbestritten, dass ein ganztägiges Schulangebot vor allem Schülern aus bildungsfernen Haushalten ein deutliches Mehr an Bildungschancen eröffnet. Darüber hinaus hat sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu einer Schlüsselfrage unserer Gesellschaft entwickelt. So liegen Ganztagsschulen und Ganztagsangebote nicht nur im Interesse der Schüler und der Eltern, sondern vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und sozialer Entwicklungen auch im Interesse der Gesellschaft insgesamt. Sie helfen den Anteil der Erwerbstätigen zu erhöhen und somit das wirtschaftliche Wachstum in unserer älter und kleiner werdenden Gesellschaft zu sichern.

Wir Liberale haben uns deshalb bereits zu einer Zeit für den Ausbau von Ganztagesangeboten an Schulen eingesetzt, als Forderungen danach noch auf erheblichen politischen Widerstand stießen. Zwischen den Jahren 2002 und 2010 hat sich die Zahl der Schulen mit Ganztagsangebot deutschlandweit jedoch nahezu verdreifacht. Dass damit zwischenzeitlich über die Hälfte der Schulen Ganztagsschulen oder Schulen mit Ganztagsangeboten sind, daran haben wir Liberalen einen entscheidenden Anteil. Und wir wollen diesen Weg eines bedarfsgerechten Ausbaus der Ganztagsangebote konsequent weiter gehen.

Angesichts des vielerorts starken Trends hin zur Ganztagsschule ist es nun umgekehrt das Gebot der Stunde, die Rechte derer zu wahren, die für ihre Kinder keinen ganztägigen Schulbesuch wünschen. Diese Wahlfreiheit ist uns Liberalen ein hohes Gut, und eine wie auch immer geartete rechtliche oder faktische Pflicht zu einem ganztägigen Schulbesuch halten wir für einen unverhältnismäßig schweren Eingriff in die Rechte der Eltern. Wer sein Kind eine Schule mit einem Halbtagsangebot besuchen lassen möchte, beispielsweise weil dies dem Wohl des Kindes, seinen Lerngewohnheiten oder dem Wunsch nach verstärkten Aktivitäten in Bereichen wie Sport, Musik, Jugendarbeit usw. entspricht, soll dies tun können. Etwaige Hindernisse für eine freie Schulwahl wie noch bestehende Schulbezirke müssen nach Auffassung der FDP generell abgeschafft werden.

Die FDP setzt sich außerdem dafür ein, dass die Freiheit der Verantwortlichen vor Ort hinsichtlich der Ausgestaltung des Schulangebots gestärkt wird. Bei den Ganztagsschulen betrifft dies in erster Linie die Form: Ob sie als Ganztagsschule in offener, gebundener oder teilweise gebundener Form betrieben wird, mit Zügen in unterschiedlicher oder einheitlicher Form, soll vor Ort entsprechend den dort vorhandenen Bedürfnissen und Verhältnissen entschieden werden. Eine regionale Schulentwicklung mit echten Entscheidungsbefugnissen für die Verantwortlichen vor Ort ist aus liberaler Sicht eine wichtige Voraussetzung, um ein möglichst vielfältiges und zu den örtlichen Gegebenheiten passendes Schulangebot zu schaffen. Auf diese Weise wird auch eine Bandbreite von Ganztagesangeboten einerseits und Schulen mit Halbtagesangeboten andererseits entstehen, die das Wahlrecht der Eltern langfristig zu gewährleisten vermag.

Ein besonderes Anliegen ist es der FDP, dass beim weiteren Ganztagsausbau die Qualität nicht auf der Strecke bleibt. Eine auskömmliche Ressourcenausstattung der Schulen, die Stärkung ihrer Eigenverantwortung und der damit einhergehende Wettbewerb um das beste pädagogische Angebot sind aus unserer Sicht hierfür die besten Garanten. Zugleich erscheint es uns notwendig, dass Schulen mit Ganztagsangeboten bzw. Ganztagesschulen keinen in sich geschlossenen Raum bilden, sondern in einen vielfältigen gesellschaftlichen Zusammenhang mit Vereinen und Institutionen vor Ort eingebunden sind und bleiben. Ein geeigneter Rahmen für die gelingende Kooperation von Schule mit Vereinen, außerschulischen Institutionen und Betrieben unterstützt die Kooperationspartner, lässt aber zugleich ein Höchstmaß an Eigenverantwortung.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer Bildungspolitik von SPD und Grünen, die einseitig eine Schulform privilegiert – in mehreren Bundesländern ist dies vor allem die Gemeinschafts- bzw. die Gesamtschule – erscheint es notwendig darauf hinzuweisen, dass nach Auffassung der FDP alle Schulen beziehungsweise Schularten gleichermaßen das Recht erhalten sollten, Ganztagsangebote einzurichten beziehungsweise Ganztagsschulen zu werden, wenn sie dies wollen. Der weitere Ganztagsausbau darf nicht in den Dienst ideologischer Interessen gestellt werden, indem eine bestimmte Schulart Vorrang bei der Einrichtung eines Ganztagsangebots erhält. Vielmehr wollen wir mit dem Ausbau weiterer Ganztagsangebote Schülerinnen und Schülern an allen Schularten gleichermaßen mehr Chancen einräumen und das Wahlrecht der Eltern sowie die Qualität unseres vielfältigen Schulsystems stärken.

Die Bertelsmann-Stiftung hat jüngst in einer Studie aufgezeigt, dass sich über 70 Prozent der Eltern einen Ganztagsplatz für ihre Kinder wünschen. Wenngleich die Nachfrage von Ort zu Ort unterschiedlich hoch ausfallen dürfte, bedeutet ein entsprechender weiterer Ganztagsausbau für die Länder und ihre Kommunen einen enormen Kraftakt. Dieser kann nur geschultert werden, wenn die zuständigen Gebietskörperschaften hierfür angemessen finanziell ausgestattet werden. Die FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz fordert deshalb beispielsweise, dass die Länder im Rahmen der noch ausstehenden Verhandlungen mit dem Bund über finanzielle Schlussfolgerungen aus der Föderalismusreform II mit einem höheren Anteil am bestehenden Mehrwertsteueraufkommen beteiligt werden, ohne dass eine Steuer erhöht wird.

 

 

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