Pressemitteilung

18.Mai 2017

Reich-Gutjahr: Anreizsystem entwickeln und Überregulierungen zurücknehmen

Wie die gestern Abend mit über 100 Gästen gut besuchte Veranstaltung der FDP-Landtagsfraktion dokumentierte, ist die angespannte Wohnraumlage in Baden-Württemberg ein Problem von großer Brisanz, das viele Bürgerinnen und Bürger des Landes betrifft. Die ausreichende Versorgung mit Wohnraum sicherzustellen, bedingt eine enge Kooperation von Politik, Verwaltung, Kreditinstituten, aber auch Architekten und Eigentümern. Nur auf Basis einer engen Zusammenarbeit aller Beteiligten lassen sich Maßnahmen entwickeln, die entscheidend dazu beitragen, mehr und zahlbaren Wohnraum zu schaffen, zumal in Ballungszentren wie Stuttgart.

Die Freien Demokraten im Landtag setzen sich dafür ein, alle  Kräfte zu mobilisieren, um der Problematik Herr zu werden. Dafür muss Grün-Schwarz endlich ideologisch motivierte Positionen revidieren und ein Maßnahmenpaket verabschieden, das dem Bau und dem Erwerb von Wohneigentum die notwendige Attraktivität verleiht.  Aktuell führen zahllose, von Grün-Rot in der letzten Legislaturperiode geschaffene Vorschriften, zu deutlichen Kostensteigerungen; es fehlen Bauplätze und die Genehmigung von Bauvorhaben läuft zu langsam.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der  FDP/DVP-Fraktion, Jochen Haußmann, erläuterte schon bei der Begrüßung,  in welchen Größenordnungen sich der Bedarf an zusätzlichen Wohnungen in Bund, Land und Kommunen bewegt. „Wohnraum ist ein knappes Gut, auch in Bad-Württemberg. Der geschätzte  Jahresbedarf von 60.000-75.000 Wohnungen wird nicht erreicht, auch wenn die Entwicklung des letzten Jahres eine positive Tendenz erkennen lässt.  Wurden 2014 nur 36.000 neue Wohnungen genehmigt, waren es 2016 zumindest 45.000. Dennoch belegen die Zahlen ein großes, indiskutables Defizit.“ Haußmann betonte, die Entwicklung sei vollkommen konträr zu jener der 1990er Jahre, in welchen teilweise bis zu 100.000 Wohneinheiten jährlich entstanden seien. „Dieser Zustand wirkt heute illusorisch. Die  zahllosen Regelungen, wie z. B. die von Grün-Schwarz novellierte Landesbauordnung, machen es vielen Menschen unmöglich, sich ihren Wunsch auf ein Eigenheim zu erfüllen. Deutschland zählt zu den liberalsten Wohnungsmärkten weltweit. Maßnahmen wie die Mietpreisbremse gefährden dies zunehmend. Umso mehr muss die Förderpolitik des Landes den Erwerb von Wohneigentum gezielt und nachhaltig unterstützen.“

Gabriele Reich-Gutjahr, die Veranstaltungsinitiatorin und wohnbaupolitische Sprecherin der FDP/DVP-Fraktion, betonte, das Thema Wohnen sei ein großer Brocken und berühre zahlreiche Themen und Fragestellungen:  „Jeder steht in seinem Leben meist mehrmals  vor der Situation, geeigneten, seinem Budget entsprechenden Wohnraum zu finden. Wir Freien Demokraten verwenden uns mit Nachdruck für die Vereinfachung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, um auch auf struktureller Ebene eine besseres Bauklima zu erzeugen: die Bereinigung der Landesbauordnung (LBO) und der Vorschriften zu Energieeffizienz, (EnEV), Überarbeitung des Mietrechts, schnelle Genehmigungsverfahren sowie Bereitstellung von Bauland und Änderungen bei der Grunderwerbsteuer sind nur einige Beispiele.“

Wesentlich, so Reich-Gutjahr, sei auch immer zu fragen, wie sich das Verhältnis von Stadt und Land entwickeln soll. Wenn die Jugend den ländlichen Raum in Scharen verlasse, habe das weitreichende Konsequenzen. „Wir müssen uns fragen, was wollen wir in der Politik im Land sicherstellen? Die demografische Entwicklung darf nicht dazu führen, dass  Wohnbesitz auf dem Land durch Abwanderung an Wert verliert. Angesichts neuer digitaler Möglichkeiten müssen sich die Bürgermeister im ländlichen Raum die Frage stellen, wie sie Arbeitsplätze vor Ort bereitstellen können in Kooperation mit den Arbeitgebern in den Ballungsgebieten. Lösungen vor Ort würden auch zur Entschärfung des  Verkehrsproblems beitragen.

Subjekt-, nicht Objektförderung scheint mir die beste Lösung zu sein. Es ist seit jeher ein liberaler Grundsatz, Menschen, nicht Institutionen, in ihren Bestrebungen zu unterstützen.  Damit vermeiden wir Ghettobildung und Fehlbelegungen im sozialen Wohnungsbau. Es sollte ein Anreizsystem entstehen, das dazu einlädt, privates Wohneigentum zu schaffen. Das ist auch ein wichtiger Beitrag zur Sicherung des Lebensstandards im Alter.“

Rüdiger Ruhnow, Bereichsleiter Mietwohnungsbau L-Bank, Baden-Württemberg, erläuterte in seinem Impuls-Vortrag, welch große gesellschaftliche Bedeutung der staatlich finanzierten Landeswohnraumförderung zukomme: „Die  Landeswohnraumförderung dient dazu, auch jenen Menschen, die nur ein geringes oder kein Vermögen besitzen, dabei zu helfen, Wohnungen zu bauen, zu kaufen oder zu mieten, die sie sich sonst nie leisten könnten. Ganz unabhängig davon, ob es sich um gebrauchten oder neuen Wohnraum handelt, versuchen wir zu vermitteln. Wir fördern Neubauwohnungen, aber auch Modernisierungsprojekte. Dabei werden auch energetische Kriterien und Faktoren wie alters- und  bedarfsgerechtes Wohnen nicht vergessen.  Dafür stellt uns das Land Baden-Württemberg allein für das Jahr 2017 Gelder in Höhe von 250 Mio. Euro zur Verfügung. Die Förderbank leistet damit einen erheblichen Beitrag, den Wohnungsnotstand gerade in Großstädten des Landes abzubauen.“

Ulrich Wecker, Geschäftsführer Stuttgarter Haus- und Grundbesitzerverein e. V., betonte, dass der Wohnungsmarkt in erster Linie privat geprägt sei und zahlreiche Vermieter im Besitz von Wohnungen gewissermaßen Kleinunternehmer seien und sich so nicht zuletzt das Alter absichern würden. Wecker erinnerte daran, dass die für ihn alles dominierende Frage, wohin sich der Wohnungsmarkt entwickele, nur zu klären sei, wenn eine fundierte Bedarfsanalyse vorliege, wer nach Baden-Württemberg in die Ballungsgebiete komme:  „Wir können die Entwicklung nicht auf gut Glück steuern und damit auch nicht Wohnungen in geeigneter Zahl vorhalten. Eine der zentralen Ursachen, warum in den Ballungsgebieten nicht genügend Wohnungen zur Verfügung stehen, liegt auf politischer Ebene. Wenn Land und Kommunen keine Flächen freigeben, kann auch nicht gebaut werden. Eines ist sicher: Jeder Quadratmeter Fläche, der zur Verfügung steht, wird auch angenommen und bebaut.“ Dass Privatpersonen derzeit keine Notwendigkeit sähen, potentielles Bauland zu verkaufen, läge auf der Hand: „Dennoch ist es unsere Pflicht“, betonte Wecker, „den 10.000 Menschen, die allein im vergangenen Jahr nach Stuttgart gekommen sind, adäquaten Wohnraum zu bieten. Wenn wir es nicht schaffen, Fachkräften Wohnraum zu geben, werden sie gehen und sich in anderen Regionen niederlassen. Der Wohnungsmarkt ist somit ein wichtiger wirtschaftlicher und sozialer Faktor.“ Wesentlich sei jetzt, die hohe Grunderwerbsteuer wieder auf ein moderates Niveau zu senken.  „Bauen darf nicht derart teuer sein und verpflichtende Fassadenbegrünungen und überdachte Fahrradstellplätze, wie sie die 2014 von Grün-Rot novellierte Landesbauordnung vorsehen, sind vollkommen indiskutabel.“

Beatrice Soltys, Vizepräsidentin der Architektenkammer Baden-Württemberg und Baubürgermeisterin der Stadt Fellbach, erklärte, Wohnen sei ein Grundbedürfnis: „Uns muss die Frage leiten:  Wie schaffen wir es, die Zahl der gebauten Wohnungen zu erhöhen? Aus Erhebungen der Architektenkammer geht hervor, dass 80.000 notwendig sein dürften.“ Soltys betonte, Architekten dächten ganzheitlich: „Architekten denken nicht allein in Wohnungen, Häusern und Gebäuden. Unser Ansatz ist, wie die Gesellschaft, ganzheitlich orientiert. Uns leiten Fragen wie Nachhaltigkeit, Demografie und Bevölkerungsentwicklung. Dabei sind Konzepte der Durchmischung notwendig. Die Fehler der 1970er Jahre  dürfen nicht mehr gemacht werden. Nur so stellen wir sicher, dass Menschen nicht differenziert nach Vermögen untergebracht werden und sozial prekäre Ghettos entstehen.“  Notwendig sei ein Paradigmenwechsel in Kontext der Flächenentwicklung und der Gesetzgebung. Bezahlbarer Wohnraum, der unterschiedlichen Bedürfnissen und Lebensphasen gerecht werde, müsse für alle geschaffen werden.

In einer sich anschließenden, von Barbara Schlegel, der Landespressekonferenz-Vorsitzenden, moderierten Diskussionsrunde, resümierte Gabriele Reich-Gutjahr noch einmal die Standpunkte der FDP: „Nicht Geld und Finanzkraft ist ursächlich das Problem. Was wir benötigen ist ausreichend Fläche. Baugenehmigungen und Planungsverfahren sind heute viel zu aufwendig und zeitintensiv. Die Freiheitsrechte des Bauherrn sind auf ein Minimum reduziert. Die Landesbauordnung steigert die Kosten in hohem Maße und Fragen der Energieeffizienz dominieren jedes Bauvorhaben auf unverhältnismäßige Weise. Die FDP aber billigt den Menschen zu, selbst zu entscheiden, was ihren Wünschen gerecht wird. Der Staat mischt sich viel zu viel ein und maßt sich mittlerweile auch zahlreiche Rechte an, die eigentlich jedem Einzelnen vorbehalten sein sollten.“

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