Archiv für das Monat: Juni, 2020

Lehren aus der Stuttgarter Krawallnacht

Die Nacht vom 20. Juni auf den 21. Juni – sie wird in das kollektive Gedächtnis der Stuttgarterinnen und Stuttgarter eingehen. Es ist eine Nacht, wie sie es in Stuttgart und in ganz Baden-Württemberg noch nie gegeben hat. Was mit einer routinemäßigen Polizeikontrolle um 23.30 Uhr beginnt, endet fünf Stunden später um 04.30 Uhr nach einem nie dagewesenen Gewaltexzess. Am Ende dieser Nacht gleicht die Stuttgarter Innenstadt einem Trümmerfeld: Scherben, Blutspuren und verwüstete Läden – mitten im Herzen der Landeshauptstadt. Die Täter machen keinen Halt vor privaten Eigentum, der Geschäftsgrundlage von sowieso schon gebeutelten Einzelhändlern und Polizistinnen und Polizisten. Binnen fünf Stunden haben hunderte jugendliche Kriminelle dutzende Läden eingeschlagen und geplündert, Polizeiautos mit Steinen zertrümmert und die Einsatzkräfte brutal angegriffen. Das Bild eines Jugendlichen, der mit beiden Beinen voraus einen Polizisten anspringt, geht um die Welt. Wer aber die Polizei angreife, werde erst recht nicht vor den Bürgern haltmachen, betont der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Ralf Kusterer im Webtalk der FDP/DVP Fraktion und warnte damit davor, die Geschehnisse zu bagatellisieren. Im Gegenteil, wer die staatlichen Organe angreife, greift auch unsere Demokratie an, so der FDP/DVP Fraktionsvorsitzende Dr. Hans-Ulrich Rülke. Aus diesem Grunde seien die Taten auch keineswegs unpolitischer Natur. Es handele sich auch nicht um eine abstrakte Stuttgarter Party-und Eventszene, sondern um kriminelle Plünderer und Marodeure. Das darf nicht verharmlost werden. Im Gegenteil, die Nacht muss umfassend aufgearbeitet werden: Wie konnte es zu diesem Gewaltausmaß kommen und was muss die (Landes-) Politik jetzt tun, damit sich solch eine Nacht nie wieder wiederholt?

Eskalation in Stuttgart zeichnete sich ab

Betrachtet man die Geschehnisse der Wochen vor dem Gewaltexzess, so wird deutlich: Bereits Ende Mai und Anfang Juni kam es zu Übergriffen auf die Stuttgarter Polizei. Am 31. Mai löste ein gezielter Falschanruf eines dunkelhäutigen 18-jährigen einen Tumult am Kleinen Schlossplatz aus. Flaschen wurden auf die Beamten geworfen und mehr als 30 Streifenwagenbesatzungen mussten heranrücken, um die Lage zu beruhigen. Auch am 07.06.2020 seien laut Medienberichten Einsatzkräfte am Rande der Anti-Rassismus Demo mit Gegenständen beworfen worden. Innenminister Strobl habe sich gar bereits „im letzten Jahr darüber gewundert, was sich gerade in den Abendstunden“ in der Stuttgarter Innenstadt abspiele. Wieso aber hat der Innenminister dann nicht umgehend gehandelt und Sicherheitskonzepte vorgelegt? Es ist seine Aufgabe und Verantwortung als Innenminister, sicherzustellen, dass keine rechtsfreien Räume entstehen. Wie kann es sein, dass die Polizei fünf Stunden braucht, um Kontrolle über zentrale Plätze der Landeshauptstadt zu erlangen? Fehlt es an Personal und/oder Ausstattung? Ein Innenminister muss Sicherheitsprobleme im Herzen der Landeshauptstadt zur Chefsache erklären und Probleme frühzeitig bei der Wurzel packen und nicht wie ein unbeteiligter Dritter daneben stehen und die Verantwortung delegieren. Die Signale im Vorfeld der besagten Stuttgarter Nacht hat der Innenminister nicht erkannt. Es zeigt sich somit einmal mehr die Überforderung von Innenminister Strobl. Um die Versäumnisse des Innenministeriums aufzuarbeiten, haben wir eine Anfrage gestellt.

Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in den letzten Wochen ist jedoch klar: Eine solche Nacht darf sich nie wiederholen. Als FDP/DVP Fraktion fordern wir daher ein Bündel an Maßnahmen:

Rückendeckung aus der Politik statt Stimmungsmache gegen die Polizei

Allzu oft versuchen sich Politiker von Grüne, SPD oder Linke auf Kosten der Polizei zu profilieren: Renate Künast (Grünen) hinterfragte vor einigen Jahren bei einem versuchten Anschlag in Würzburg als Erstes die Reaktion eines Polizisten, der seine Waffe zückte als der afghanische Täter mit einer Axt auf ihn zulief. SPD-Vorsitzende Saskia Esken sprach jüngst von „latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte“.

Gleichzeitig wurde in Berlin von Rot-Rot-Grün das Landesantidiskriminierungsgesetz beschlossen, welches die Beweislast umkehrt. So reicht die Behauptung eines Betroffenen (in Form einer Glaubhaftmachung), er sei durch eine behördliche Handlung diskriminiert worden, damit Polizisten und andere Beamte beweisen müssen, dass sie die Person nicht diskriminiert haben. Es muss also nicht deren Schuld bewiesen werden, sondern sie müssen ihre Unschuld beweisen. Das Gesetz ist ein Misstrauensbeweis gegenüber Polizisten und stellt eine ganze Berufsgruppe unter Generalverdacht. Dennoch gibt es Zuspruch von den Grünen in Baden-Württemberg in Person des Landesvorsitzenden Oliver Hildenbrand. Doch in Reihen der Polizei wird diese Entwicklung in Teilen der Politik durchaus wahrgenommen: Die Debatten um Rassismus bei der Polizei und Polizeigewalt führen dazu, dass es ein Gefühl von fehlendem Rückhalt durch die Politik bei den Polizisten gebe, berichtete Ralf Kusterer von der Stimmung innerhalb der Polizei. Heißt: Teile der Politik bereiten mit ihren Aussagen den Nährboden für Gewalt gegen die Polizei und schwächen unsere Einsatzkräfte.


Als FDP/DVP Fraktion fordern wir daher ein klares Bekenntnis aus der gesamten Landespolitik zur Polizei. Verantwortungsvolle Politiker dürfen mit ihren Aussagen blinden, sinnlosen und verachtenswerten Hass auf die Polizei nicht weiter befeuern und salonfähig machen.

Zügiges und effizientes Ermittlungsverfahren sowie ausländerrechtliche Konsequenzen

Die Straftäter müssen eine spürbare Antwort des Rechtsstaates erhalten. Dazu gehört neben der Strafverfolgung, soweit möglich, auch zivilrechtliche Kosten für entstandene Schäden und die Schmerzensgeldansprüche an die Verursacher weiterzuleiten. Auch gilt es, die Ursachen aufzuarbeiten, die laut Dr. Rülke jedoch nicht monokausaler Natur seien. Dr. Rülke nannte die Corona-Krise mit den umfassenden Freiheitseinschränkungen als einen Erklärungsansatz. Hier gilt es, die Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der sozialen Auswirkungen von monatelanger Isolation zu überprüfen. Statt die Polizei dazu zu verdonnern, jeden kleinen Verstoß gegen die Abstandregeln zu ahnden, müsse Innenminister Strobl dafür sorgen, dass primär wirklichen Kriminellen das Handwerk gelegt werde. Auch zeichnet sich ab, dass eine Vielzahl der Täter nichtdeutscher Herkunft ist. Die Stuttgarter Nacht sei somit durchaus auch Ausdruck einer gescheiterten Flüchtlings- und Migrationspolitik. Folglich müssen im Zusammenhang mit den Gewaltexzessen auch ausländerrechtliche Folgen geprüft werden. Wer die Aufnahmebereitschaft einer Gesellschaft auf solch eine Art und Weise beantwortet, hat sein Aufenthaltsrecht verwirkt und gehört abgeschoben. Das sind wir unserer Gesellschaft und damit auch den ganz mehrheitlich hier friedlich lebenden Migranten schuldig.

Wiederholung solcher Ausschreitungen müssen verhindert werden

Mittelfristig brauchen wir aber Frühwarnmechanismen, inklusive Aufklärung und Prävention, um solche Gewalttaten zu verhindern. Präventive Konzepte können in Schulen ansetzen oder durch Streetworker erfolgen. Die Ausschreitungen zeigen jedoch auch deutlich, dass die Polizei bessere personelle und materielle Ausstattung und nicht noch schärfere Gesetze braucht. Innenminister Strobl muss dies endlich entschieden angehen. Die Präsenz der Polizei muss verstärkt werden, um das Gewaltmonopol des Staates durchzusetzen und das Entdeckungsrisiko für Straftaten zu erhöhen. Ralf Kusterer plädierte in diesem Zusammenhang dafür, dass sich alle demokratischen Kräfte im Landtag auf eine feste Einstellungszahl von Polizisten pro Jahr verständigen. Im Moment gebe es hier je nach Präferenzen der jeweiligen Regierung große Schwankungen, die eine verlässliche Planung erschweren. Dr. Rülke kündigte an, diesen Vorschlag aufzugreifen und seine Fraktionsvorsitzendenkollegen von Grüne, SPD und CDU zu einem Gespräch diesbezüglich einzuladen. Denn: Die Politik muss der Polizei alle notwendigen Mittel an die Hand geben, damit sich eine Nacht wie in Stuttgart am 20. Juni niemals wiederholt.

Unser 10 Punkte-Plan

Stärkere Polizeipräsenz in den nächsten Wochen und Monaten

Es muss unmissverständlich deutlich werden, dass das Gewaltmonopol einzig beim Staat liegt. Die Täter verstehen nur die klare Botschaft, dass die Einhaltung geltenden Rechts konsequent durchgesetzt werden wird. Hier darf es keine falsch verstandene Toleranz geben.


Frühwarnmechanismen bei gefährlichen Einsatzlagen verbessern

Wenn sich eine Eskalation abzeichnet, muss Verstärkung frühzeitig da sein. Teilweise musste in der Krawallnacht Unterstützung aus Heilbronn angefordert werden. Man braucht verbindliche Kriterien, nach denen sichergestellt ist, dass Verstärkung frühzeitig kommt. Lieber hat man im Zweifel mehr Polizei vor Ort als zu wenig.


Konsequente und schnelle Bestrafung der Täter und Identifizierung weiterer Täter

Es muss allen klar sein, dass ein derartiges Vergehen massive Konsequenzen nach sich ziehen wird.


Das Land muss unverzüglich geeignete Maßnahmen für seine Liegenschaften in der Stadtmitte ergreifen

Im Bereich der Stuttgarter Innenstadt befinden sich viele Liegenschaften des Landes. Für den Eckensee oder das Neue Schloss kann das Land beispielsweise von seinem Hausrecht Gebrauch machen, und somit der Polizei eine verlässliche Rechtsgrundlage gegen renitente Jugendgruppen liefern.


Ausweitung der bisherigen Zusammenarbeit des Landes mit der Stadt Stuttgart und den umliegenden Kreisen

Eine förmliche Sicherheitspartnerschaft mit der Stadt Stuttgart kommt zu spät. Aber besser später als nie. Das Innenministerium muss unter Einbeziehung der zuständigen Polizeibehörden der Stadt eine Liste der Maßnahmen vorlegen, die aus polizeilicher Sicht geboten sind. Dazu gehören auch Maßnahmen, um den wachsenden Müll und Glasscherben zu reduzieren. Durch seine Polizeibehörden besitzt das Land an dieser Stelle eine sehr große Expertise. Da viele Täter aus dem Stuttgarter Umland kamen, müssen auch die Nachbarkreise mit eingebunden werden, damit die Maßnahmen nicht verpuffen.


Gewalt von Menschen mit Migrationshintergrund als solche benennen und entsprechend handeln

Nicht alle aber viele Täter der Krawallnacht hatten einen Migrationshintergrund. Rund die Hälfte der vorläufig festgenommenen jungen Männern waren keine deutschen Staatsbürger. Bei Tätern, die aus Ländern wie Afghanistan, Somalia oder Marokko stammen, muss alles dafür unternommen werden, damit auf die Haft die Abschiebung folgt.


Maßnahmen gegen Drogenkriminalität in der Stuttgarter Stadtmitte erheblich ausweiten

Innerhalb eines Jahrzehnts haben sich die Drogendelikte in Stuttgart Stadtmitte verdreifacht. Auch bei den Ausschreitungen war die Kontrolle eines 17-jährigen mutmaßlichen Drogendealers der Auslöser der Krawalle. Es muss alles Notwendige unternommen werden, damit zentrale öffentliche Plätze nicht zu Drogenumschlagplätzen verkommen.


Präventive Maßnahmen stärken

In den Taten kommt ein Hass der Täter auf den Staat zum Ausdruck. Hier muss man frühzeitig ansetzen, etwa durch Kampagnen in Schulen oder Streetworker. Solche Maßnahmen sind eine sinnvolle Ergänzung zu einem ansonsten entschlossenen staatlichen Handeln


Frühzeitige Strafverfolgung bei jugendlichen Tätern

Jugendliche Straftäter müssen schnell die Konsequenzen für ihr Handeln spüren. Die Mehrzahl der festgenommenen jungen Männer war polizeibekannt. Ein Täter hatte 24 polizeiliche Eintragungen. Hier bestehen erhebliche Defizite. Die FDP fordert seit langem, die Häuser des Jugendrechts auf das ganze Land auszuweiten, so auch auf das Stuttgarter Umland, wo zahlreiche Täter wohnhaft sind.


Polizeikräfte wieder mehr für die Verfolgung echter Straftäter nutzen als für die Einhaltung der Corona-Abstandgebote

Spätestens nach diesen Ereignissen braucht es ein Umdenken bei den Corona-Kontrollen. Die Polizei sollte sich endlich wieder um für die Sicherheit wichtigere Belange kümmern dürfen.

Unsere Positionen finden Sie hier noch einmal zusammengefasst als PDF-Datei zum Download.

Wie sieht sie aus, die Stadt der Zukunft?

Und welche Vorteile haben wir davon? Darüber diskutierte unser digitalisierungspolitischer Sprecher Daniel Karrais gemeinsam mit Wirtschafts- und Kommunalexperten am 19.Juni 2020 – dem ersten bundesweiten Digitaltag- unter Leitung von Christian Milankovic, Titelautor der Stuttgarter Nachrichten. Dabei betonte Daniel Karrais gleich zu Beginn, dass die FDP/DVP Fraktion die Digitalisierung als Möglichkeit für ein vereinfachtes und besseres Leben hält. Ziel sei die Errichtung einer ressourcenschonenden, nachhaltigen und einfacheren Welt.


Ein Baustein hierzu ist die Stadt 4.0, die sogenannte Smart City. Nach der Definition des Deutschen Instituts für Normung (DIN) bezeichnet eine Smart City „einen Siedlungsraum, in dem systemisch (ökologisch, sozial und ökonomisch) nachhaltige Produkte, Dienstleistungen, Technologien, Prozesse und Infrastrukturen eingesetzt werden, in der Regel unterstützt durch hochintegrierte und vernetzte Informations- und Kommunikationstechnologien.“ Ein „Smart Everything“ also, wie unser Referent Herr Dr. Ferdinand Schuster (KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) resümierte. Steffen Braun, Geschäftsfeldleiter/Institutsdirektor am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (Fraunhofer IAO), ergänzte, dass es kaum Lebensbereiche gibt, die nicht von einer Digitalisierung profitieren können. Durch eine Vielzahl von praxisnahen und konkreten Anwendungsbeispielen brachten die Referenten dann Licht ins Dunkel und füllten den Begriff „Smart City“ mit Leben.

Von dynamischen Parkleitsystemen bis Ratten zählen

Vor dem Hintergrund der Corona-Krise nannte Steffen Braun das mobile Arbeiten in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen als Beispiel, welches die Arbeit von Zuhause aus ermöglicht. Auch Onlineshopping sowohl bei Lebensmitteln als auch bei anderen Konsumgütern ist eine Errungenschaft der Digitalisierung, die mittlerweile unseren Alltag bestimmt.

Kevin Lindauer, Digitalisierungsbeauftragter der Stadt Pforzheim, und Antonija Scheible, CIO/CDO der SWU Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH, nannten zukunftsweisende Konzepte im Zusammenhang mit Smart Cities, wie autonomes Fahren und dynamische Parkleitsysteme, wodurch Stau reduziert und dadurch die Umwelt geschont werden. Weiterhin bestünde die Möglichkeit, mittels Sensorik-Technik Glatteis frühzeitig zu erkennen, wodurch Streufahrzeuge für den Winterdienst passgenau eingesetzt und gesteuert werden können. Die reduzierte und gezieltere Streuung kommt nicht nur der Umwelt zugute, sondern spart auch unterschiedlichste Ressourcen. Für Erheiterung sorgte Frau Scheible als sie von den Möglichkeiten erzählte, digitale Methoden zum Zählen und damit Überwachen von Schädlingen, wie Ratten in einer Stadt, einzusetzen. Ihr Beispiel zeigte: Der Idee Smart City sind keine Grenzen gesetzt!

Digitalisierung ist Voraussetzung


für Wettbewerbsfähigkeit

Auch können kleine und mittlere Unternehmen von der Digitalisierung profitieren. Aufgrund der oft begrenzten Kapazitäten würden eine Abschaffung der Zettelwirtschaft und Entbürokratisierung durch digitale Verwaltungsdienstleistungen das Wachstum dieser Unternehmen in besonderem Maße ankurbeln.

Zusätzlich fördern Digitalisierungsinitiativen die Gründer- und Start-Up-Kultur, die von jungen innovativen Menschen mit dem Wunsch nach schnellen unkomplizierten Verfahren durchzogen ist. Dr. Ferdinand Schuster machte es deutlich: Stadt 4.0 und Industrie 4.0 gehen Hand in Hand, somit ist die Digitalisierung der Städte ein wichtiges Instrument, um die Attraktivität Baden-Württembergs als Unternehmensstandort zu sichern.


Aufholbedarf aber auch Chancen in Baden-Württemberg

Bei all diesem Ideenreichtum ist es umso bedauerlicher, dass die grün-schwarze Landesregierung bei der Digitalisierung soweit hinterherhängt. So ist in Baden-Württemberg eine umfassende Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen, das sogenannte E-Government, leider immer noch Zukunftsmusik. Daniel Karrais nannte hierfür exemplarisch die niedrige Anzahl der Möglichkeit von Online-Behördenkontakten in Baden-Württemberg. Deutschlandweit haben nur zwei Bundesländer weniger Online-Behördenkontakte zu verzeichnen als Baden-Württemberg. Dabei ermöglicht E-Government ein unkomplizierteres und effizienteres Gemeinwesen. Aber selbst eine digitalisierte Kommune kann ihr Potential nur entfalten, wenn die passende Infrastruktur gegeben ist. Wenn man sich jedoch den Fortschritt beim Breitbandausbau anschaut, ist Baden-Württemberg noch weit davon entfernt, jeden Schwarzwaldhof an das schnelle Internet anzubinden, wie Innenminister Thomas Strobl (CDU) einst versprochen hatte.


Und so resümierte Daniel Karrais: „Wir stehen an der Schwelle eines neuen urbanen und digitalen Zeitalters, das in Angriff genommen werden muss, um den Herausforderungen des demographischen Wandels gerecht zu werden und den veränderten Anforderungen an und von Menschen nachhaltig zu begegnen.“ Wichtig sei dabei, Ängste und Unsicherheiten der Menschen offen zu begegnen, um letztendlich alle in das neue Zeitalter der Digitalisierung mitzunehmen. So wird die Stadt der Zukunft schon heute eine Stadt voller Möglichkeiten!

Unsere weiteren Konzepte…

Erstellt von unserem Praktikanten Ben. 

Unsere Ansprechpartner

Abgeordnete


Mitarbeiter

Sarah Wehinger

Parlamentarische Beraterin für frühkindliche Bildung, Ganztag und Jugend sowie Digitalisierung
Tel.: +49 711 2063-9045

Das Herz unserer Wirtschaft

Ohne geht’s nicht – kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind ein fester und wichtiger Bestandteil unserer Wirtschaft. Sie bilden das Herzstück der leistungsstarken Wirtschaft in Baden-Württemberg und in ganz Deutschland. Eine funktionierende Wirtschaftsstruktur ohne den Mittelstand ist nicht vorstellbar. Zur Würdigung des Beitrags der KMU zu den Volkswirtschaften haben die Vereinten Nationen den 27. Juni als Tag der kleinen und mittleren Unternehmen ausgerufen. Die Europäische Union definiert seit 2005 kleine und mittlere Unternehmen als Unternehmen, die weniger als 250 Beschäftigte haben und einen Umsatz von bis zu 50 Millionen Euro pro Jahr oder eine Bilanzsumme von bis zu 43 Millionen Euro pro Jahr haben. Sobald ein Unternehmen diese Schwellenwerte überschreitet, spricht man von einem Großunternehmen.

UnternehmensgrößeZahl der BeschäftigtenundUmsatz pro Jahr in EurooderBilanzsumme pro Jahr in Euro
kleinstbis 9bis 2 Millionenbis 2 Millionen
kleinbis 49bis 10 Millionenbis 10 Millionen
mittelbis 249bis 50 Millionenbis 43 Millionen

Kleine Unternehmen, große Bedeutung

So klein die Betriebe auch sein mögen, ihre volkswirtschaftliche Bedeutung ist enorm:

  • 2018 arbeiteten insgesamt über zwei Millionen Beschäftigte in KMU in Baden-Württemberg.
  • Im Jahr 2018 zählten in Baden-Württemberg 471.190 Unternehmen zu den kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das waren 99,51% aller Unternehmen.
  • Die Unternehmen in Baden-Württemberg mit bis zu 250 Beschäftigten erwirtschafteten im Jahr 2018 ca. 40,63% des gesamten Umsatzes aller Unternehmen.
  • Deutschlandweit waren 81,7% aller Auszubildenden in Betrieben mit weniger als 500 Beschäftigten angesiedelt.

Beim Betrachten dieser Fakten ist die immense Bedeutung der KMU für unsere Wirtschaft und Gesellschaft unverkennbar. Die kleinen und mittleren Unternehmen stellen den Großteil der Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze in unserem Land. Der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg zeichnet sich auch dank der KMU durch seine Vielseitigkeit, seine Brandbreite und seinen einzigartigen Innovationsgeist aus. Branchenübergreifend zählen heute zahlreiche baden-württembergische Unternehmen zur absoluten Weltspitze. Die kleinen und mittleren Unternehmen bilden somit das Rückgrat der hiesigen Wirtschaft und spielen bei der Erhaltung des Wirtschaftswachstums und Wohlstandes eine entscheidende Rolle. Nur mit Hilfe der KMU können die Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze im Land garantiert werden. Deshalb verdienen sie Anerkennung und ausreichend Unterstützung von der Landespolitik.

Aktuelle Krise und Herausforderungen der Zukunft

Doch die politischen Rahmenbedingungen stellen allzu oft eine Hürde für die Betriebe dar. Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen wurden von der Corona-Krise und den damit verbundenen Einschränkungen schwer getroffen. Die von der Landesregierung angebotene Unterstützung für den Mittelstand im Zuge der Corona-Krise ist jedoch unzureichend. Hinzu kommt: Baden-Württemberg ist der große Verlierer des Konjunkturpakets der Bundesregierung. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grünen) konnte seine Forderungen in Berlin nicht durchsetzen. Darunter leidet mit der Automobilindustrie eine unserer Schlüsselindustrien in Baden-Württemberg und damit auch tausende mittelständische Zuliefererbetriebe. Somit werden jene Betriebe weiterhin geschwächt, die schon vor der Krise unter der einseitigen Fokussierung der Landesregierung auf die batteriebetriebene Elektromobilität litten. Ein weiteres Ärgernis: Noch immer fehlt glasfaserbasiertes Internet in der Fläche – also genau dort, wo sich viele mittelständischen Unternehmen befinden. Gerade einmal 7% der Haushalte in Baden-Württemberg verfügen über schnelles Internet (≥ 1000 Mbit/s). Der mangelhafte Ausbau der digitalen Infrastruktur gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe auf dem Land. Dabei müssen unsere KMU die bestmöglichen Rahmenbedingungen haben!

Wirksame Unterstützung und Entlastung für die Leistungsträger unserer Gesellschaft

Die FDP/DVP Fraktion hat deshalb ein Positionspapier vorgelegt, in dem verschiedene Wege aus der Krise vorgeschlagen werden. Zur Krisenbewältigung werden diverse Konjunktur- und Wirtschaftsimpulse für zwei Sonderkonjunkturjahre vorgeschlagen, wie etwa steuerliche Erleichterungen, Zuschüsse und Anreize für Bürger und Unternehmen. Außerdem brauchen wir Investitionen in Technologien, die umweltfreundlich sind und gleichzeitig Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Land behalten, wie z.B. die wasserstoffbasierte Brennstoffzelle.

Neben der Bewältigung der aktuellen Krise müssen die KMU auch für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet sein: Im Vordergrund steht hier die Digitalisierung und der Ausbau der digitalen Infrastruktur, damit der Mittelstand am Wandel teilhaben kann und weiterhin leistungsfähig bleibt. Auch müssen der Fachkräftemangel und Bürokratiehürden, durch die den KMU der Übergang in die Arbeit 4.0 erschwert wird, abgebaut werden. Die FDP/DVP Landtagsfraktion fordert deshalb einen umfassenden Bürokratieabbau und setzt sich für eine Unterstützung der Unternehmen bei der Digitalisierung sowie eine steuerliche Forschungsförderung ein. Bestimmte Gesetze, wie z.B. zur Arbeitszeit, müssen an die durch die Digitalisierung entstehende moderne Arbeitswelt angepasst werden. Daneben fordern wir eine echte Ausbildungsoffensive. Es muss endlich die Anerkennung der Gleichwertigkeit von beruflichen und akademischen Bildungswegen durch die Ausweitung der Meisterprämie auf alle Meisterabschlüsse erfolgen, auch die von Industrie- und Handelskammern. Damit Baden-Württemberg auch in Zukunft ein attraktiver Wirtschaftsstandort mit zahlreichen Unternehmen aus dem Mittelstand an der Weltspitze bleibt!

Erstellt von unserer Praktikantin Nora

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Gesetzentwurf zeigt zunehmende Entfremdung von der heimischen Landwirtschaft

Wer ist schuld am Artenschwund? Wenn es darum geht, Schuldige für das Insektensterben zu finden, werden schnell die Landwirte als Sündenböcke auserwählt. So auch beim Volksbegehren Artenschutz „Rettet die Bienen“ in Baden-Württemberg aus dem vergangenen Jahr. Zur Bewahrung der Artenvielfalt nahmen die Organisatoren um „proBiene“ mit praxisfernen und unrealistischen Forderungen fast ausschließlich die Landwirte in die Pflicht. Doch die Schuld allein bei der Landwirtschaft zu suchen, greift zu kurz und wird der Komplexität des Themas nicht gerecht. Flächeninanspruchnahme, Extremwetterereignisse, Windenergieanlagen oder Lichtverschmutzung sind auch potenzielle Ursachen für den Insektenschwund.


Wir als FDP/DVP Fraktion begreifen Artenschutz daher als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es braucht Maßnahmen, die alle beteiligten Akteure in die Pflicht nehmen und keine einseitigen Schuldzuweisungen in Richtung Landwirtschaft. Der von Landwirtschaftsverbänden in Baden-Württemberg initiierte Volksantrag `Gemeinsam unsere Umwelt schützen´ ist deshalb genau der notwendige Schritt in die richtige Richtung. Doch statt diesen Weg konsequent zu gehen, der Landwirtschaft und Artenvielfalt in Einklang bringt, hat die Landesregierung nun mit der „Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz“ einen Gesetzentwurf vorgelegt, der weiterhin völlig praxisuntaugliche Zielsetzungen für die Landwirte beinhaltet. Wertschätzung für unsere Landwirte sieht anders aus!

Wie kam es zu dem Gesetzentwurf?

Im Sommer vergangenen Jahres brachte „proBiene“ ein Volksbegehren auf dem Weg, das nicht nur die Gesellschaft spaltete, sondern auch Existenzen vieler landwirtschaftlicher (Familien-)Betriebe und damit unsere regionale Urproduktion bedrohte. Nach anfänglicher Begeisterung von CDU und Grüne, erkannte nach knapp vier Monaten auch die grün-schwarze Landesregierung die Gefahren des Volksbegehrens für die Selbstversorgung in Baden-Württemberg und unterbreitete den Organisatoren ein Dialogangebot. Es folgten monatelange Verhandlungen zwischen Landwirtschaftsverbänden, proBiene und der Landesregierung. Am Ende präsentierte die Landesregierung den vermeintlichen Kompromiss, welcher sich in dem Gesetzentwurf widerspiegelt.

Was besagt der Gesetzentwurf im Detail?

Der Gesetzentwurf fasst mit Ausnahme vereinzelter Regelungen zu Privatgärten oder Lichtverschmutzung hauptsächlich die Landwirtschaft ins Auge. So soll der Anteil des Ökolandbaus auf einen Anteil von 30-40% bis zum Jahr 2030 ausgebaut werden. Zur Steigerung der Nachfrage nach Bio-Produkten will das Land in (Marketing-)Maßnahmen investieren. Auch wird eine Reduzierung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln bis zum Jahr 2030 landesweit um 40 bis 50% angestrebt, sowie ein Verbot von Pestiziden auf naturschutzrechtlich besonders geschützten Flächen. Die finanziellen Auswirkungen für den Landeshaushalt können allerdings „nicht beziffert werden.“

Wie ist der Gesetzentwurf aus Sicht der FDP/DVP Fraktion zu bewerten?

Der Gesetzentwurf ist nach Einschätzung der FDP/DVP Fraktion eine rein symbolische Lösung ohne fachliche Substanz.

Beispiel Pflanzenschutz: Es ist völlig unklar, woher die Zielvorgabe zur Pflanzenschutzmittelreduktion kommt. Hierfür gibt es keine wissenschaftliche Grundlage. Wer sich die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln in den letzten Jahren ansieht, erkennt: Die Landwirte machen sich schon seit Jahren für den Artenschutz stark. Laut dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wurden beispielsweise im Jahr 2018 so wenige Pflanzenschutzmittel ausgebracht wie zuletzt vor 13 Jahren. Die Landesregierung verkennt mit ihrem Gesetzentwurf diese Anstrengungen jedoch völlig und legt stattdessen eine willkürliche Prozentzahl fest, die in der Praxis nicht zu erreichen ist. Neben dem fraglichen Beitrag zu mehr Artenschutz ist die Regelung zudem mit neuen Dokumentationsvorschriften, einem Bürokratieaufbau und folglich weiteren Belastungen für die Landwirte verbunden.


Beispiel Öko-Landbau: Das Ziel zum Öko-Landbau erinnert an die Planwirtschaft, die in die Grundlagen des freien Marktes eingreift und erhebliche Einwirkungen des Staates nach sich ziehen würde. Zur Erreichung dieses Ziels bedarf es eines signifikanten Anstiegs der Nachfrage nach Bio-Produkten, um einen Preisverfall im Bio-Markt zu verhindern. Das Land möchte die Nachfrage mittels Marketingmaßnamen ankurbeln. Klar ist jedoch: Aufgrund der hohen Zielvorgabe ist dies mit massiven Kosten für den Landeshaushalt verbunden.

Klaus Hoher

Die beiden Beispiele zeigen, dass der Gesetzentwurf zu einem Bürokratieaufbau in der Landwirtschaft führen wird und massive Kosten verursacht, die etwa bei den Landwirten nicht in Relation zum Mehrwert der Regeln stehen. Praxisuntaugliche Regelungen wie die Reduktion der Pflanzenschutzmittel helfen den Landwirten nicht weiter. Im Gegenteil, wenn wir unsere Landwirtschaft immer weiter schwächen und mit Auflagen übersäen, führt dies mittelfristig zu einer Abwanderung der Urproduktion aus Baden-Württemberg. Die Folge: Wir importieren zunehmend Kartoffeln und Äpfel aus anderen Ländern. Das trägt weder zum Klima- und Umweltschutz, noch zur Lebensmittelsicherheit bei. Bemerkenswert ist zudem, dass die Landesregierung in der Corona-Krise einen Gesetzentwurf präsentiert, bei dem sie das finanzielle Ausmaß nicht beziffern kann! Dass Symbolpolitik statt Praxistauglichkeit beim Kompromiss überwiegt, verdeutlicht auch das Verbot von Schottergärten: Mit dem Gesetzentwurf bekräftigt die Landesregierung das grundsätzliche Verbot von privaten Schottergärten. Wie sie die Gestaltung zigtausender Privatgärten überwachen möchte, bleibt jedoch völlig offen. Das ist Symbolpolitik par excellence!

Was schlägt die FDP/DVP Fraktion vor?

Statt immer die Gesetzeskeule zu schwingen, brauchen wir investive Ansätze in der Landwirtschaft. Artenschutz und Ertragsreichtum können mithilfe der Digitalisierung in Einklang gebracht werden. Digitale Methoden ermöglichen eine präzise und bedarfsgerechte Verwendung von Betriebsmitteln. Dafür braucht es jedoch eine belastbare digitale Infrastruktur im ländlichen Raum. Anders als die CDU halten wir 5G an jeder Milchkanne für essenziell, um digitale Präzisionslandwirtschaft und damit auch den Artenschutz zu fördern. Wir setzen uns daher für den Mobilfunkausbau in der Fläche ein. Auch fordern wir mehr Mittel für umweltfreundliche Technik im Agrarinvestitionsförderprogramm. Zudem müssen die Anreize der Förderprogramme für Landwirte erhöht werden, indem wir diese entbürokratisieren.

Gesetzentwurf ist kein Bekenntnis zur lokalen Landwirtschaft

Der Gesetzentwurf der grün-schwarzen Landesregierung hantiert mit abschreckenden und praxisuntauglichen Reduktionszielen für unsere Landwirte. Er ist kein echter Gesellschaftsvertrag und wird der Komplexität des Themas Artenschutz nicht gerecht. Ohne wissenschaftliche Grundlage werden willkürliche Zielvorgaben ausgerufen, die Existenzen gefährden. Nach den Lobhudeleien für das Volksbegehren spiegelt dieses Gesetz einmal mehr die fehlende Wertschätzung für unsere Landwirtschaft wider. Dabei brauchen wir gerade in Zeiten von zunehmender Entfremdung von Stadt-und Landgesellschaften ein klares Bekenntnis zur lokalen Landwirtschaft. Eine starke Landwirtschaft in Baden-Württemberg ist Voraussetzung für regionale Erzeugnisse und leistet einen elementaren Beitrag zur Lebensmittelsicherheit in unserem Land. Die Bauern haben in den letzten Jahren viel für den Artenschutz getan. Wir sollten dies honorieren und gemeinsam mit ihnen und der gesamten Gesellschaft das Problem angehen!

Volksbegehren

Die Landesverfassung gibt in den Artikeln 59 und 60 Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, durch Volksbegehren und Volksabstimmungen direkten Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Bei einem Volksbegehren haben die Initiatoren nach einem erfolgreichen Zulassungsantrag sechs Monate Zeit, um Unterschriften für ihr Anliegen von mindestens 10% der Wahlberechtigten (derzeit ca.770.000) zu sammeln. Wird das Quorum erreicht, wird der vorgeschlagene Gesetzentwurf der Initiatoren im Parlament behandelt. Billigt der Landtag die Volksinitiative nicht, gibt es eine Volksabstimmung. Für das Volksbegehren von „proBiene“ zeichnete sich in den ersten fünf Wochen eine schwache Beteiligung ab. Bis Ende Oktober 2019 wurden laut dem Innenministerium 6 444 Unterschriften gesammelt. Die Mobilisierung der Initiatoren ruhte seit dem 15. Oktober und endete mit dem Beschluss des Kompromisses, der letztlich in den Gesetzentwurf mündete.

Volksantrag

Mit dem Wissen, dass ein erfolgreiches Volksbegehren die Existenz tausender landwirtschaftlicher Betriebe gefährdet hätte und einem Verbot der konventionellen Landwirtschaft durch die Hintertür gleichgekommen wäre, initiierten die Bauernverbände einen Volksantrag. Sie forderten, Artenschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzugehen und statt eines Pestizidverbots eine umfassende Pestizidreduktionsstrategie aufzulegen. Nach der Landesverfassung muss sich der Landtag mit dem Antrag inhaltlich auseinandersetzen und dazu begründet Stellung beziehen, wenn dieser von mindestens 0,5 Prozent der Wahlberechtigten (derzeit ca. 40.000) getragen wird. Lehnt der Landtag den Volksantrag ab, folgt aber im Gegensatz zum Volksbegehren keine Volksabstimmung. Die Bauernverbände sammelten für ihr Anliegen binnen weniger Monate fast 90.000 Unterschriften und erfüllten das Quorum bei weitem.

Die schlimmste Krise seit dem zweiten Weltkrieg trifft unsere Wirtschaft aufs Härteste. Die Arbeitslosenzahlen in Baden-Württemberg schnellen in die Höhe auf mittlerweile 270.290 Arbeitslose (Mai 2020). Das ist ein Anstieg von 41% verglichen mit dem Vorjahr. Zudem haben mehr als 100.000 Betriebe für etwa 1,9 Millionen Beschäftigte in Baden-Württemberg Kurzarbeit angezeigt.  Die Produktion ist rückläufig und Umsätze brechen ein. Es droht eine Insolvenzwelle und Massenarbeitslosigkeit. Um das zu verhindern, haben wir als FDP/DVP Fraktion konkrete Maßnahmen für einen wirtschaftlichen Aufschwung vorgelegt. Am 28.05.2020 haben wir diese vor dem Hintergrund der Corona-Krise mit hochkarätigen Vertretern aus der Wirtschaft und einer Vielzahl an interessierten Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen eines Webtalks diskutiert. Diskussionsteilnehmer waren neben unserem Fraktionsvorsitzenden Dr. Hans-Ulrich Rülke der Geschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) Baden-Württemberg Dr. Dietrich Birk sowie der Vorsitzende des Außenwirtschaftsausschusses des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) und ehemalige Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) Dr. Peter Kulitz.

Unternehmen leiden stark unter der Krise

Unsere Gäste Dr. Birk und Dr. Kulitz gaben den Teilnehmern zu Beginn einen Einblick in die aktuelle schwierige Situation der baden-württembergischen Wirtschaft. So gäben laut Dr. Birk 98 von 100 Maschinenbauunternehmen an, von der Krise betroffen zu sein. Als eine der Schlüsselindustrien ist der Maschinen-und Anlagenbau damit besonders hart von der Krise betroffen. Doch, und da waren sich die Teilnehmer einig, die Corona-Krise ist ein heftiger Schock für die gesamte Industrie in unserem Land. Die IHK habe laut Dr. Kulitz allein in Baden-Württemberg für über 400.000 Anträge für die Zuschüsse im Kleingewerbebereich die Plausibilitätsprüfung übernommen und diese dann an die L-Bank weitergeleitet. Zahlen wie diese klingen bedrohlich, verdeutlichen zugleich aber auch den enormen Handlungsbedarf.

Ein Fitnessprogramm für die Wirtschaft

Wie aber kommen wir raus aus dieser Krise? Dr. Birk forderte hierzu ein „Fitnessprogramm“ mit verbesserten Abschreibungsbedingungen für Investitionsgütern in Form der degressiven AfA, mit einer deutlichen Ausweitung des Verlustrückgangs, Investitionen in die (digitale) Infrastruktur sowie eine sofortige und vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Letzteres sei richtig und ein „klassisches Mittelstandsthema“, ergänzte Dr. Rülke. Der FDP/DVP Fraktionsvorsitzende betonte zugleich, dass es wichtig sei, jetzt vor allem passgenaue Programme statt die klassische Gießkanne auf den Weg zu bringen. Konsumtive Ausgaben können nicht im Vordergrund stehen, sondern investive wie das Fitnessprogramm und wie die FDP/DVP Fraktion in ihrem Positionspapier vorschlägt.

#Aufschwung2022 – Liberale Wege aus der Wirtschaftskrise

Nur dies verhindere Insolvenzwellen und Massenarbeitslosigkeit. Denn: Dr. Rülke befürchtet, dass uns eine solche Insolvenzwelle in verschiedenen Bereichen, insbesondere im Handel, in der Gastronomie aber auch im produzierenden Mittelstand am Ende des Jahres bevorstehen könne, wenn nicht die richtigen Maßnahmen getroffen werden. Eine dieser Maßnahmen und wesentlicher Bestandteil des Fitnessprogramms muss der Bürokratieabbau sein. Laut Dr. Kulitz sei gerade in dieser Krise Schnelligkeit wichtig. Es sei erstaunlich und gut, wie schnell die Regierung und Behörden auf Bürokratie verzichten können, so Dr. Kulitz. Dies müsse unbedingt auch nach der Krise beibehalten werden, um Vertrauen in die Unternehmer zu schaffen und Blockaden zu verhindern. Ein Beitrag zu weniger Bürokratie müsse die Abschaffung des Bildungszeitgesetzes sein, so Dr. Rülke, der für diesen Vorschlag viel Zuspruch erntete. Jedoch zeigt die Ablehnung unseres Gesetzentwurfs zum Abbau von Bürokratie, dass die Entlastung der Unternehmer von unnötiger Bürokratie keine Priorität der grün-schwarzen Landesregierung zu sein scheint. Dabei wirkt ein Gesetz wie das Bildungszeitgesetz „abschreckend“ auf die Unternehmer, wie Dr. Kulitz resümierte.

Investitionen in die (digitale) Infrastruktur und Bildung

Statt unnötiger Bürokratie braucht es Investitionen in die digitale Infrastruktur. Insbesondere die Mittelständler im ländlichen Raum stellen immer wieder fest, dass die Mobilfunknetze nicht entsprechend ertüchtigt sind und dass die Breitbandnetze noch nicht den entsprechenden Stand haben, gab Dr. Birk einen Einblick in die Lage der Betriebe. Es bestünde die Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten und an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Und auch an den Schulen sei die digitale Infrastruktur noch unzureichend ausgebaut wie die Krise offengelegt habe, ergänzte Dr. Rülke. Dabei ist Bildung einer der Schlüsselbereiche. Vor allem die duale Ausbildung hob Dr. Kulitz hervor, denn diese „ist eine der ganz großen Assets, die wir in Deutschland haben und in Baden-Württemberg vornedran“. Die Krise dürfe daher nicht dazu führen, dass Abstriche bei der Aus-und Weiterbildung gemacht werden. Im Gegenteil, der Staat müsse ganz gezielt finanzielle Anreize geben, damit Unternehmer nicht bei Lehrstellen sparen. Auch Dr. Birk betonte die gute duale Ausbildung mit den bewährten Partnern aus Handwerk und Handel und Industrie. Wichtig sei demnach „eine gute breite Bildungslandschaft, eine Durchlässigkeit zwischen den unterschiedlichen Schularten, gute Zugangsmöglichkeiten zu den Hochschulen, interessante, attraktive Studiengänge und eine gute duale Ausbildung.“

Impulse für den Wirtschaftsaufschwung gehen

Kurzum: Alle drei Diskutanten plädieren dafür, den Fokus auf investive statt konsumtive Ausgaben zu legen. Insbesondere steuerliche Erleichterungen und Bürokratieabbau sowie Investitionen in Bildung, Forschung & Entwicklung sowie die digitale Infrastruktur müssen Priorität haben. Abstriche bei der (dualen) (Aus-) Bildung dürfe es nicht geben. Auch die Teilnehmer im Webchat diskutierten lebhaft mit und beteiligten sich mit Fragen immer wieder an der Diskussion.

Und auch wenn alle drei Diskutanten nicht mit einem schnellen Aufschwung, sondern mit einer länger anhaltenden Schwächephase rechnen, so gab der Abend auch Anlass zur Hoffnung, denn: Es gibt sie, die Wege aus der Krise hin zu einem Wirtschaftsaufschwung! Man muss sie „nur“ gehen.


Unser Webtalk vom 28.05.2020 in voller Länge.

Unsere Ansprechpartner

Das Arbeitszeitgesetz an die Lebensrealität anpassen

Wir schreiben das Jahr 1994: Telefonate werden über das Wählscheibentelefon geführt, Daten auf Disketten abgespeichert, Filme über Video-Kassetten geschaut, Nachrichten über Fernschreibegeräte (Telex) übermittelt und in der Politik wird das Arbeitszeitgesetz eingeführt. Und heute, 26 Jahre später? Was von all‘ dem ist geblieben? Das Wählscheibentelefon wurde durch das Smartphone ersetzt, Disketten durch USB-Sticks und Video-Kassetten durch DVDs und Streaming-Dienste abgelöst. Nur eins ist geblieben: das Arbeitszeitgesetz. Und damit ein Gesetz, das aus einer Zeit stammt, in der nur 0,9% der Menschen in Deutschland das Internet benutzten. Während die technische Entwicklung fortschritt und Arbeitsprozesse digitalisiert wurden, ist die Zeit beim Arbeitszeitgesetz stehengeblieben. Im digitalen Zeitalter haben wir noch immer ein Arbeitszeitgesetz aus dem analogen Zeitalter. Mit der Arbeitsrealität in Deutschland hat das wenig zu tun. Und so können viele Arbeitnehmer in Deutschland am heutigen „Mach-Früher-Feierabend-Tag“ nicht früher Feierabend machen – sie sind gefangen in den Fesseln der starren Arbeitszeitregelungen.

Täglicher Rechtsbruch aufgrund starrer Arbeitszeitgesetze

Nach dem Arbeitszeitgesetz (§3) darf die tägliche Arbeitszeit acht Stunden bzw. unter bestimmten Voraussetzungen zehn Stunden nicht überschreiten. Die Arbeitnehmer sind nach Beendigung ihrer täglichen Arbeitszeit verpflichtet, „eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden“ (§5) einzulegen. Doch was bedeutet dies für die gelebte Praxis? Ein Beispiel: Sie unterbrechen am Nachmittag ihre Arbeitstätigkeit, um ihr Kind von der Kita abzuholen. Am Abend um 22.30 Uhr beantworten Sie dann noch ein paar berufliche Mails. Beachtet man die 11 Stunden Ruhezeit, so dürfen Sie am nächsten Tag nicht vor 9.30 Uhr anfangen zu arbeiten. Tun Sie es doch, verstoßen Sie gegen das Arbeitszeitgesetz. Und genau das geschieht nahezu täglich in Deutschland. Dabei zeigt das Beispiel: Eine flexiblere Arbeitszeitreglung könnte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Wird das Arbeitszeitgesetz jedoch nicht modernisiert, so bleibt der tägliche und millionenfache Rechtsbruch Teil der Arbeitswirklichkeit in Deutschland.

Prof. Dr. Erich Schweickert

Ganze Branchen leiden unter den Regelungen – das Beispiel Gastronomie

Von einer Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes würden jedoch nicht nur die Arbeitnehmer profitieren, auch die Arbeitgeber und ihre Betriebe gewinnen an Wettbewerbsfähigkeit. Ein Beispiel aus dem Alltag der Gastronomie: Eine große Geburtstagsfeier steht am Abend bevor. Der Aufbau für die Veranstaltung beginnt am späten Nachmittag um 16 Uhr. Es entwickelt sich ein munterer Abend, an dem die Gäste bis früh in die Morgenstunden feiern möchten. Doch eine kurzfristige – der Entwicklung des Abends angepasste – Verlängerung der Feier ist nicht möglich, denn das Arbeitszeitrecht schreibt vor: Spätestens um zwei Uhr nachts muss der Gastwirt an diesem Abend schließen. Dies führt dazu, dass viele Gastwirte Veranstaltungen mit einer Arbeitsdauer von über zehn Stunden nicht mehr annehmen können und Umsatzeinbußen in Kauf nehmen müssen. Denn wer kann schon immer auf die Stunde genau das Ende einer Veranstaltung vorhersagen? Ein weiterer Faktor: Die starren Arbeitszeitmodelle verschärfen den Fachkräftemangel in der Branche. Möchte sich ein Arbeitnehmer, der am Freitagvormittag von 9 bis 15 Uhr gearbeitet hat, am Abend durch einen Nebenjob im Restaurant etwas hinzuverdienen, so bremst ihn das Arbeitszeitgesetz aus. Für die Gastronomie stehen somit weniger Arbeitskräfte zur Verfügung und der Arbeitnehmer, der (mehr) arbeiten möchte, wird daran gehindert. Die Folge: Mehr Schließtage und verkürzte Öffnungszeiten in der Gastronomie einhergehend mit einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Warum aber passen wir die Arbeitszeit nicht an Tag und Veranstaltung an? Möchten Gäste länger bleiben und der Gastwirt mehr Umsatz generieren, sollte das möglich sein. Dafür schließt das Restaurant dann an einem anderen Tag mit weniger Gästeaufkommen früher. Eine von der Krise gebeutelte Branche wie die Gastronomie darf nicht weiter durch Gesetze von gestern ausgebremst werden..

Das passende Arbeitsmodell für jeden statt das eine Arbeitsmodell für alle

Wie könnte ein modernes Arbeitszeitgesetz aussehen?

Vorweg sei betont, dass es uns als FDP/DVP Fraktion keineswegs darum geht, Arbeitszeiten zu erhöhen oder Ruhephasen zu streichen. Uns geht es um mehr Flexibilität, um ein an den Anforderungen unserer Zeit und der digitalisierten Arbeitswelt angepassten Rechtsrahmen. Wir möchten den Arbeitnehmern und -gebern mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung der Arbeitszeit einräumen. Wir glauben nicht, dass es ein Arbeitsmodell gibt, wie das Neun-bis-Fünf-Modell, das für jeden Arbeitnehmer die beste Lösung ist. Wir möchten, dass es individuelle Möglichkeiten gibt. Dem zugrunde liegt unser Vertrauen in die Menschen, der Glaube an mündige und selbstbestimmte Beschäftigte, denen wir zutrauen, selbst zu wissen, wann und wie sie am besten arbeiten können. Wir schlagen vor, statt einer Tageshöchstzeit eine Wochenhöchstzeit festzulegen, d.h. eine maximale Arbeitsstundenzahl pro Woche, sowie eine Lockerung der 11-Stunden-Pausenregelung. Die Arbeitszeit kann sich der Arbeitnehmer flexibel und ergebnisorientiert einteilen bzw. orientiert sich an dem Bedarf des Arbeitgebers. Gastwirte könnten den Service so je nach Gästeaufkommen flexibel verlängern oder auch verkürzen. In einer lauwarmen Sommernacht kann der Biergarten dann auch einmal länger öffnen. Kurzum: Niemand soll mehr Stunden arbeiten oder weniger Pausen machen als bisher. Die Wochenhöchstarbeitszeit möchten wir nicht antasten. Es soll aber die Möglichkeit einer freieren Einteilung geben. Hinzu kommt: Der Organisations- und Kontrollaufwand der Betriebe ist höher, wenn eine Tageshöchstarbeitszeit eingehalten werden muss. Arbeitszeitflexibilisierung ist somit auch Bürokratieabbau

Dr. Hans-Ulrich Rülke

Landesregierung muss sich für eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten starkmachen

Um den Bedürfnissen der Arbeitnehmer und –geber in einer digitalisierten Welt gerecht zu werden, muss das Arbeitszeitgesetz daher umgehend modernisiert werden Wir brauchen an der Praxisrealität der Menschen orientierte gesetzliche Rahmenbedingungen. Hierzu fordern wir die Landesregierung auf, sich mit einer Bundesratsinitiative für eine Novelle des Arbeitszeitgesetzes einzusetzen. Dies stärkt die Selbstbestimmung der Arbeitnehmer und verbessert zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmer. Auch sollte das Land bei mobilen Arbeitsformen vorangehen und als Vorreiter die Chancen digitaler Möglichkeiten nutzen, indem es Landesbedienstete bei nicht ortsgebundenen Tätigkeiten ein Recht auf Homeoffice ermöglicht. Lösen wir uns also von starrem Strukturdenken und ebnen wir den Weg für ein modernes, an die Zeit und Lebenswirklichkeit der Menschen angepasstes Gesetz. So wird der „Mach-Früher-Feierabend-Tag“ zur gelebten Arbeitswirklichkeit.

Unsere Konzepte…