Pressemitteilung

11.März 2010

Arnold: Teilhabe statt Fürsorge durch mehr gemeinsamen Unterricht

Hindernisse abbauen – Mehr Freiraum für passgenaue Lösungen vor Ort geben – In einer Landtagsdebatte über den Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes sagte die bildungspolitische Sprecherin, Dr. Birgit Arnold: „Teilhabe statt Fürsorge, darum geht es uns heute – oder wie es eine betroffene Familie formuliert hat: „Wir wollen für unseren Sohn größtmögliche Selbständigkeit, statt staatlicher Daueralimentation.“

Darum geht es heute wieder in dieser Debatte – es geht letztendlich um Freiheit. Deshalb ist das Thema „Inklusion“ auch für uns Liberale so wichtig. Es geht um die Chance eines behinderten Menschen, sein Leben so selbstbestimmt und frei zu leben, wie es irgend möglich ist. Und es geht um die Freiheit der Eltern, zu entscheiden, wo ihr behindertes Kind unterrichtet werden soll. Vor allem deshalb – das sage ich schon an dieser Stelle, lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab, weil er dieses Wahlrecht der Eltern einschränkt – Sie wollen nämlich die Schulen für Lernbehinderte, für Erziehungshilfe und für Sprachbehinderte abschaffen. Das ist für uns der falsche Weg.Er schränkt zum einen das Wahlrecht der Eltern ein. Und er lässt einen Punkt unberücksich-tigt, den die UN-Konvention für ganz wesentlich erachtet. So heißt es in Artikel 7 der Kon-vention: ‚Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.’ Es gibt zum Beispiel sprachbehinderte Kinder, die mit ein paar Wochenstunden Sonderpädagogik nicht auskommen. Es gibt Kinder, die brauchen den schützenden Raum einer Förderschule, die intensive Unter-stützung und Begleitung, die dort möglich ist. Deshalb lehnen wir die von Ihnen vorgeschlagene Abschaffung einer Reihe von Sonderschulen ab. Wir haben ein erfolgreiches Sonderschulsystem. Und wir wollen es in seinen Grundzügen erhalten. Denn wir brauchen mehr denn je, wie es der VBE treffend formuliert hat, die „Professionalität der sonderpädagogischen Kompetenz“. Aber wir betonen mit Nachdruck: Wir wollen, das deutlich mehr Kinder mit Behinderungen als bisher in unseren Regelschulen zusammen mit Kindern ohne Behinderungen unterrichtet werden können, zielgleich oder zieldifferent. Das von mir eingangs beschriebene Grundprinzip der gesellschaftlichen Teilhabe muss sehr viel mehr als bisher, auf der Ebene der Schulen und der Schulverwaltung realisiert werden. Es muss zum vorrangigen Handlungsprinzip werden. Das sieht der Expertenrat auch so. Betroffene Eltern schil-dern uns immer wieder, wie mühsam es ist, wie viele Hindernisse es gibt, wenn sie ihre be-hinderten Kinder in einer Regelschule unterrichten lassen wollen.Das muss sich ändern. Wir werden darauf hinarbeiten – die Schulverwaltung muss Schulen unterstützen, beraten, auch fortbilden, die gemeinsamen Unterricht realisieren wollen. Wir begrüßen mit Nachdruck das Votum des Expertenrates für ein qualifiziertes Elternwahl-recht. Aber dieses Wahlrecht darf nicht von vorneherein wieder eingeschränkt werden mit dem Hinweis, die Kosten oder der Mehraufwand seien zu hoch. Das wäre ja eine Beibehaltung des status quo. Wir wollen mehr inklusiven Unterricht – dann müssen wir in einem ver-tretbaren Rahmen auch die nötigen baulichen und technischen Voraussetzungen dafür schaffen. Wir begrüßen eine weitere Empfehlung des Expertenrates: Bei der Umsetzung der Leitidee eines inklusiven Bildungssystems sollte es keine einzige allgemeingültige Lösung geben. Sondern für jeden Einzelfall soll eine passgenaue Lösung entwickelt werden.Das bedeutet für uns aber auch – lassen wir die Schulen vor Ort die Initiative für die Koope-ration von Sonderschulen und Regelschulen entwickeln, geben wir ihnen den nötigen Frei-raum für passgenaue Lösungen. Sie haben die nötigen Kompetenzen, sie haben die nötigen Erfahrungen auf beiden Seiten. Es gibt schon wunderbare Beispiele der Kooperation – etwa die Torwiesenschule in Stuttgart oder die Gustav-Heinemann-Schule in Pforzheim. Lassen wir es von unten herauf wachsen. Wir brauchen keine weiteren Schulversuche, wir müssen den Schulen auf beiden Seiten nur die nötigen Ressourcen geben. Wir müssen die vorhandenen Strukturen besser miteinander vernetzen, wir müssen sonderpädagogische Kompetenzen in die Ausbildung aller Lehrer integrieren und sie viel mehr als bisher dazu befähigen, zu diagnostizieren, zu differenzieren, zu kooperieren. Wir sind in der Sonderpädagogik in Baden-Württemberg auf einem guten Weg. Was uns noch fehlt, sind mehr Möglichkeiten für einen inklusiven Unterricht. Lassen Sie uns damit anfangen, hier und heute.“

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