Pressemitteilung

15.November 2006

Berroth: Lotteriewesen auch künftig staatlich überwachen

Bewährte Förderung des Sports, der Kunst, Kultur und des Sozialen fortführen – In der Landtagsdebatte über die „Zukunftsperspektive des Lotteriewesens“ sagte die stellvertretende FDP/DVP-Fraktionsvorsitzende Heiderose Berroth: „Das Thema Lotterien und Wetten ist in den Focus geraten durch Gerichtsurteile und Aktivitäten der Kartellbehörde. Teilweise treten dabei durchaus unterschiedliche Rechtspositionen zutage. Mit unserem Antrag wollen wir die aktuelle Situation sowie Entwicklungsperspekti-ven abklären und Wege zu sach- und zeitgerechten Lösungen aufzeigen.

Vom Bundesverfassungsgericht wurden am 28. März 2006 zwei Wege aufgezeigt: • die Sicherstellung einer konsequenten Suchtbekämpfung unter staatlicher Obhut (Monopol) – das ist der Weg, den die Landesregierung zu gehen versucht, • zum Anderen eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung einer gewerblichen Veranstaltung durch private Wettunternehmen. Ein wichtiger Punkt ist das Suchpotenzial. Aus der Stellungnahme der Landesregierung auf die parlamentarische Initiative der FDP/DVP-Landtagsfraktion lässt sich aus der Antwort der Landesregierung zusammenfassen, dass 55 Prozent des Glücksspielmarkt-Volumens auf Formen des Glücksspiels entfallen, denen ein hohes Suchtpotenzial zugeschrieben wird. Das sind Glücksspiele an Automaten und in Kasinos. Gerade diese Bereiche aber sind privat-gewerblicher Betätigung zugänglich. So bleibt es für mich widersprüchlich, in den Berei-chen des Glücksspielmarkts mit dem höchsten Suchtpotential eine privat-gewerbliche Betätigung zuzulassen, aber andererseits Bereiche mit einem deutlich geringeren Suchtpotential einem staatlichen Monopol zu unterwerfen, weil dies schon eine lange Tradition hat. Diese Regelung wurde zu Zeiten eingeführt, in denen es nur einer ganz bestimmten Schicht im Land überhaupt möglich war, ins Spielkasino zu gehen, und die Automaten bei weitem nicht so verbreitet waren wie heute. Auch das Thema der möglichen Begleitkriminalität bei Sportwetten wurde uns im letzten Jahr bereits praktisch vorgeführt – in der Realität und unter staatlichem Monopol. Andererseits dürfen fiskalische Aspekte in diesem Zusammenhang eigentlich keine Rolle spielen. Aber der Aspekt, der über das Monopol eingeworbenen Wettmittel, die vor allem zur Förderung des Sports, der Kunst, Kultur und des Sozialen verwendet werden, darf auch nicht einfach außer Acht gelassen werden. Das heißt, eine für die Zukunft tragfähige Lösung sollte sicherstellen, dass solche Unterstützung weiter hin möglich ist. Hier besteht aber eine deutliche Diskrepanz: Je strenger die suchtpräventive Ausgestaltung des Wettmonopols ausfällt, desto mehr ist mit gravierenden Einnahmeausfällen zu rechnen. Fallen sie weniger streng aus, wächst das rechtliche Risiko einer Überprüfung eines künftigen Staatsvertrags durch das Bundesverfassungsgericht beziehungsweise den Europäischen Gerichtshof. Hierzu ein Zitat eines Experten auf den Münchner Medientagen: „Glücksspielverbote stärken Anbieter im Ausland.“ Der Geschäftsführer des Deutschen Sportfernsehens sagt: „Wenn hier weiter verboten wird, wird es einen wahnsinnigen Graumarkt geben.“ Wohl deshalb steht in der Protokollerklärung der Bundesländer Baden-Württemberg, Rhein-land-Pfalz und Schleswig-Holstein zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22. Juni 2006 – die zunächst den Haupttenor hat, das staatliche Lotteriemonopol aufrecht zu erhalten – dass es diese Länder „unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben und praktischer Marktentwicklungen mittel- und langfristig für Ziel führender halten, eine begrenzte Konzessionierung in diesem Bereich vorzubereiten.“ In der Stellungnahme des Finanzministeriums fehlt eine Begründung dafür, warum die baden-württembergische Landesregie-rung diese Protokollerklärung für erforderlich gehalten hat. Der dezente Hinweis, das Festhalten am Lotteriemonopol schließe jedoch längerfristig alternative Modelle – wie beispielsweise eine beschränkte Konzessionierung – nicht aus, reicht für die Begründung der Proto-kollerklärung nicht. Zur Einschätzung der Entwicklung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben hätten wir gern etwas mehr erfahren, insbesondere vor dem Hintergrund des vom zuständigen EU-Kommissar Charly Mc Creevy betriebenen Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland und vor dem Hintergrund der im Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur sehr knapp behandelten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Gambelli- und Lindman-Urteile). Im Lindman-Urteil hat der EuGH darauf hingewiesen, dass die von einem Mit-gliedsstaat für die Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit geltend gemachten Rechtfertigungsgründe von einer Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der von diesem Staat erlassenen beschränkenden Maßnahmen begleitet werden müssen. Ob in dieser Formulierung Risiken in Bezug auf die Behandlung von Glücksspielen mit geringerem Suchtpotential liegen, ist noch näher zu klären. Der Frage nach Modellen einer gesetzlich normierten und kontrollierten Zulassung privater Anbieter von Sportwetten und Lotterien wird vom Finanzministerium nicht besonders konkretisiert. Dabei ist das Risiko ist nicht zu übersehen, dass bei einer Zulassung privater Anbieter eine Verlagerung in diejenigen Gebiete der Europäischen Union stattfinden könnte, die die niedrigste abgaberechtliche Belastung der Spieleinsätze aufweisen und damit höhere Gewinnquoten anbieten können. Wenn wir auch künftig ein staatlich überwachtes Lotteriewesen wollen – wofür vieles spricht – und auch die Förderung des Sports, der Kunst, Kultur und des Sozialen in bewährter Weise weiterführen möchten, sollten wir uns zügig daran machen al-ternative Modelle zu entwickeln und die gesetzlichen Voraussetzung dafür zu schaffen. Ich möchte Ihnen meine ganz persönliche Position zum Glücksspiel mitteilen. Ich selbst gewinne seit Jahrzehnten jede Woche im Lotto, nämlich genau den Einsatz, den ich nicht spiele. Das hat sich in der Zwischenzeit ganz schön aufsummiert. Aber die Fakten am Markt sind anders. „Glücksspiel ist ein hart umkämpftes Geschäft – private Vermittler drängen auf den Markt“, titelte die Heilbronner Stimme diese Woche. Andererseits sah sich das Finanzministerium jetzt veranlasst, das Internetlotto zu sperren. Ein derart in seinem Geschäftsgang ein-geschränkter Lotteriebetrieb verliert die Konkurrenzfähigkeit. Ich fürchte, dass sich das Monopol trotzdem nicht halten lässt. Deswegen müssen wir darauf achten. Es wird faktisch nicht durchsetzbar sein. Das Internet ist nur ein Weg, und dann haben wir wirklich keinen Einfluss mehr. Die FDP/DVP-Landtagsfraktion bedauert deshalb, dass die Frage nach Modellen einer gesetzlich normierten und kontrollierten Zulassung, nämlich einer Konzessionierung von privaten Anbietern von Sportwetten und Lotterien, vom Finanzministerium nicht konkret beantwortet wurde. Aber nur so kann man aus unserer Sicht wirksam gegen Sucht vorgehen. Wenn es einerseits ein die Sucht berücksichtigendes und vermeidendes staatliches System gibt und daneben ein nicht offizielles, auf das man überhaupt keinen Einfluss hat, dann ist der Sucht eben nicht mehr vorgebeugt. Ich sehe durchaus das Risiko, dass bei einer erzwungenen Zulassung privater Anbieter- das Risiko, dass sie kommt ist groß -, eine Verlagerung in diejenigen Gebiete der Europäischen Union stattfinden könnte, die die niedrigste ab-gabenrechtliche Belastung der Spieleinsätze aufweisen und damit höhere Gewinnquoten anbieten können. Wir brauchen eine Lösung, die eine Abgabe am Standort verlangt – dort, wo der Einsatz getätigt wird. Nur dann bleibt uns das, was alle Redner gefordert haben: dass wir die Förde-rung von Sport, Kultur und Sozialem in bewährter Weise weiterführen können. Dazu wollen wir auch künftig ein staatlich überwachtes Lotteriewesen. Gerade deshalb sollten wir uns zügig daranmachen, alternative Modelle zu entwickeln und dann vor allem die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Ich spreche im Übrigen bewusst von einer Abgabe, die bei der Tätigung des Wetteinsatzes zu leisten ist, und nicht von einer Steuer. Das ist der Punkt: Das ist bisher nicht geregelt, deswegen müssen manche Wettanbieter auch nichts zahlen. Wir müssen Wege finden – deshalb haben wir beispielsweise auch Gespräche mit „bwin“ geführt. Die Firma hat erklärt, dass sie zu konstruktiven Lösungen bereit ist. Auch dass muss klar sein, immer nur abzuwehren und „Beelzebub“ zu rufen, wird nicht weiterführen. Eines will ich zum Schluss feststellen: Wir wollen keine Liberalisierung um jeden Preis, sondern, wir wollen ein gezieltes und gesteuertes Vorgehen.“

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