Pressemitteilung

29.Juli 2009
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Berroth: Musikbranche ist bedeutender Wirtschaftssektor im Land

Traditionen bewahren, aber Zukunft der Kreativen in Musikbranche sichern – In einer Landtagsdebatte zur Großen Anfrage der FDP/DVP „Musikwirtschaft in Baden-Württemberg“ sagte die Sprecherin für Kultur- und Finanzpolitik der liberalen Landtagsfraktion, Heiderose Berroth:„Musik ist ein wesentlicher Bestandteil von Kunst und Kultur. Wenn in diesem Haus über Letzteres gesprochen wird, geht es meistens um eine Förderung aus dem Landeshaushalt. Heute wollen wir uns einmal die andere Seite ansehen, nämlich Musik als Grundlage für wirtschaftliche Betätigung und damit als Beitrag zur Stärkung des Bruttosozialprodukts und zur Erhöhung der Steuereinnahmen.

Heute wird so viel Musik gehört wie nie zuvor, wird aus der Musikbranche vermeldet. Allerdings wird diese positive Aussage sogleich wieder durch den Zusatz relativiert, dass andererseits die Zahl der Käufer von Musik noch nie so gering war wie jetzt. Sowohl die ARD-Media-Perspektiven als auch GFK-Studien zeigen, dass sich die tägliche Musiknutzung in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht hat, die Zahl der dafür zahlenden Personen dagegen gesunken ist. Das liegt sicher vor allem daran, dass immer mehr insbesondere junge Menschen mit einer höheren Affinität zu neuen Medien Musik kostenlos kopieren oder leider auch aus illegalen Tauschbörsen im Internet beziehen.Die Musikwirtschaft gehört zu den klassischen und wichtigen Teilmärkten der Kulturwirtschaft. 2006 hat die Kulturwirtschaft in Baden-Württemberg einen Umsatz von insgesamt 18 Milliarden Euro gemacht. 151 000 Erwerbstätige haben in 28 000 Unternehmen einen Arbeitsplatz. Der Anteil an der Gesamtwirtschaft des Landes betrug damals immerhin 6,6 %, ein nicht unbedeutender Beitrag!Welche Bedeutung speziell die Musikwirtschaft in Baden-Württemberg, aber auch der Standort Baden-Württemberg für die Musikwirtschaft ausmachen, machen folgende Zahlen aus der Großen Anfrage deutlich: Die Umsatzerlöse betrugen im Jahr 2006 über 490 Millionen Euro. Über 8 500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte arbeiten im Musiksektor, und der Anteil der freiberuflich Tätigen steigt dort an. Die Anzahl der Unternehmen betrug rund 1350.Bisher wird die Kulturwirtschaft schwerpunktmäßig durch die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen, Infrastruktur, aber auch durch Aus- und Weiterbildung gefördert. Erstmals im Jahr 2006 hat die Musikwirtschaft bei der Mehrheit der einzelnen Wirtschaftszweige wieder eine positive Entwicklung verzeichnet. Allerdings bleibt die Lage für die Beschäftigten immer noch schwierig, weil die Zahl der existenzfähigen Arbeitsplätze weiterhin schrumpft. Es gibt in der Tat in dieser Branche zahlreiche Arbeitsplätze, die keine eigenständige Existenz sichern. Die Zahl der Einzelunternehmen ohne Festangestellte wächst kontinuierlich, während die Zahl der abhängig Beschäftigten zurückgeht. Die Musikwirtschaft entwickelt sich zu einer Projektwirtschaft mit vielen Nischenmärkten.Welche Konsequenzen ergeben sich für das Land? Wir haben eine breit aufgestellte Musikszene, geprägt durch freiberuflich tätige oder selbständige Musiker und Komponisten. Traditionelle gewerbliche Unternehmensstrukturen wie Instrumentenbau, Verlage und Fachhandel gehen zurück. Bei der Tonträgerindustrie, in der allein die großen Unternehmen die verschiedenen Wertschöpfungsstufen abdecken, ist ebenfalls der Umsatz rückläufig. Allgemein wird zwischen der Musikwirtschaft im engeren Sinn und der Musikwirtschaft inklusive Phonomarkt unterschieden. Unter „Phonomarkt“ werden Tonträger, Download und Mobile sowie Musikvideomarkt subsumiert. Neben traditionell manuell-handwerklichen Wirtschaftsweisen stehen also neue Formen der digitalisierten Musikprodukte und die Entwicklung von Onlinedienstleistungen im Vordergrund.Die Frage, der wir uns weiter stellen müssen, lautet: ‚Was ist zu tun, damit wir einerseits die Tradition bewahren und trotzdem die Zukunft nicht verschlafen?’ Gerade junge Menschen wachsen heute mit einem viel größeren kulturellen Angebot auf als in früherer Zeit. Die Musikwirtschaft hat sich zum Teil schon an die veränderten Kulturgewohnheiten angepasst. Wir müssen versuchen, gerade junge Menschen stärker abzuholen und langfristig zu binden.Es gibt zwei Entwicklungen. Was in den Achtzigerjahren mit den Synthesizern seinen Anfang genommen hat – damals noch elektrische, heute elektronische Musik –, das ist natürlich einerseits viel billiger und bequemer. Andererseits – Reinhard Mey hat es vermutlich schon vor 35 Jahren gewusst – ein Stück Musik ‚von Hand gemacht’ hat eine ganz andere Qualität. Auch deshalb treten wir dafür ein, dass jedes Kind die Möglichkeit haben muss, ein Instrument zu lernen. Bereits jetzt hat Baden-Württemberg beispielsweise beim Wettbewerb ‚Jugend musiziert’ immer noch weit mehr Preisträger, als es unserem Bevölkerungsanteil entspricht. Das hat sicherlich seine Gründe, schließlich wird hierzulande viel Musik gemacht. Und so kommen viele bekannte Komponisten und Musikschaffende aus Baden-Württemberg. Von den Musikinstrumentenbauern ist ein Sechstel der Betriebe in Baden-Württemberg zuhause. Exportzielland Nummer eins sind nach wie vor die USA. Ich glaube, ein Stück Unterstützung bei der Marketingstrategie könnte Landesaufgabe sein. Musikinstrumentenbauer ist nach wie vor eine duale Ausbildung. Das sind Bereiche, in denen wir durchaus Bedarf haben. Eine der drei Berufsschulen für Musikinstrumentenbauer, nämlich die Oscar-Walcker-Schule, befindet sich in Ludwigsburg. Sie widmet sich vor allem dem Blasinstrumentenbau, Klavier- und Cembalobau, Orgel- und Harmoniumbau sowie dem Handzuginstrumentenbau, einschließlich der Möglichkeit einer Meisterprüfung. Da das Musikgeschäft zunehmend an Bedeutung gewinnt und die Musikindustrie eine der wichtigsten Teilbranchen der Kultur- und Kreativwirtschaft ist, brauchen wir ein genaueres Bild vom Wirtschaftspotenzial der Online-Musikwirtschaft, kurz: Wir müssen die Basisdaten verbessern. Auch das ist ein Anstoß, den wir aus dieser Großen Anfrage gewinnen können. Kreative können nicht allein von Preisen und Stipendien leben. Deshalb ist es unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass man auch in dieser Branche mit dem Ertrag der Arbeit die eigene Existenz sichern kann. Vor allem der Wahrung der Rechte künstlerischer bzw. geistiger muss sich die Politik widmen. Ich glaube nicht, dass sich das allein durch Kontrolle und Überwachung bewerkstelligen lässt. Wir müssen in unserer Gesellschaft wieder Respekt vor der geistigen, vor der künstlerischen Arbeit Anderer entwickeln. Da viele Jugendliche beim Herunterladen von Musiktiteln aus dem Internet selbstverständlich ist, sehe ich hierin auch eine Aufgabe, der sich unsere Schulen zu stellen haben. Ebenso sollten alle Erwachsenen dazu beitragen der Jugend zu vermitteln, dass geistige wie künstlerische Arbeit ihren Wert und damit auch ihren Preis hat.

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