Pressemitteilung

23.Oktober 2013

Kern: Grün-Rot muss mit Lehrern, Schülern und Eltern Frieden schließen

In der Aktuellen Debatte im Landtag mit dem Titel „Zu wenig Lehrer – Schulen und Finanzminister Dr. Schmid in Bedrängnis“ sagte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Timm Kern:

„Die Aktuelle Debatte hätte man aus meiner Sicht auch nennen können: ‚Die zwei jüngsten bildungspolitischen Rätsel des Dr. Schmid‘. Beide Rätsel hat uns der SPD-Vorsitzende und Finanzminister in seiner Rede auf dem SPD-Parteitag aufgegeben. Das erste Rätsel lässt sich so formulieren: Warum tritt ausgerechnet der Finanzminister für eine Abkehr vom Koalitionsbeschluss ein, 11 600 Lehrerstellen zu streichen? Das wirkt wie aus der Rolle gefallen, denn unter normalen Umständen würde man vermuten, dass der Finanzminister einen solchen Spar-Beschluss hütet wie seinen Augapfel und ihn bis zum Schluss gegen jeden Rücknahmeversuch verteidigt.

Womöglich hat die SPD aber erkannt, dass diese Rechnung nicht aufgehen kann. 11 600 Stellen zu streichen und gleichzeitig Ganztagsschulen sowie Inklusionsangebote ausbauen, die Unterrichtsversorgung verbessern und dann noch die teuren Gemeinschaftsschulen einrichten – dass das nicht funktionieren kann, dazu bedarf es eigentlich keiner überdurchschnittlichen Mathematikkenntnisse. Trotz der eindringlichen Mahnungen der Lehrerverbände, die sich für ihre Kritik das Prädikat „Heulsusen“ erwarben, hat der Erkenntnisprozess bei der SPD etwas länger gedauert – aber immerhin war er erfolgreich.

Die Grünen allerdings haben sich da schon etwas schlauer aufgestellt. Zunächst einmal sind sie die Erfinder der Zahl 11 600, genauer gesagt der Ministerpräsident selbst. Um sich als Sparkommissar zu zeigen, rechnete er zu den 8 055 von der christlich-liberalen Vorgängerregierung angesetzten kw-Vermerken das hinzu, was die seinerzeitige Klassenteilersenkung an zusätzlichen Lehrerstellen ausgemacht hatte: 3 500. Ein niedriger Klassenteiler wurde von Grün-Rot als überflüssiger Luxus angesehen, auch so ein Rätsel. 8 055 plus 3 500, das ergibt dann aufgerundet 11 600 Stellen. Auf die Idee, dass vielleicht erst einmal der tatsächliche Bedarf an Lehrerstellen zu berechnen wäre, kam der Ministerpräsident gar nicht – oder es war ihm egal, denn mit der Umsetzung der 11 600 Streichungen würde sich ja der Koalitionspartner herumschlagen müssen. Für Letzteres spricht, dass die Grünen auf ihrem Parteitag im Spätjahr 2012 eine solche Bedarfsrechnung forderten und somit die grün-rote Koalitions-Arbeitsteilung der weißen und schwarzen Ritter wieder herstellten.

Was auch dafür spricht, ist der Umgang mit zwei Anträgen der FDP/DVP-Fraktion auf Erhebung des Lehrerstellenbedarfs sowie Sicherstellung des weiteren Ganztagsausbaus, der Schaffung von Inklusionsangeboten und der Verbesserung der allgemeinen Unterrichtsversorgung. Zweimal lehnte die grün-rote Mehrheit diesen Antrag ab, obwohl die SPD beim zweiten Mal die Absicht erklärt hatte, einen gemeinsamen Antrag dazu zu formulieren. Den Grünen ging der Flirt mit den Liberalen aber gar zu weit, und die SPD wurde zurückgepfiffen. Und gehorchte natürlich. Nachdem nun aber die Parteibasis ihren Vorsitzenden zurückzupfeifen drohte, sind die 11 600 Stellen nun nicht mehr in Stein gemeißelt. Wir Liberalen wünschen der SPD viel Erfolg, haben aber wenig Hoffnung. Wenn wir bei der Findung einer angemessenen Bedarfsrechnung mithelfen können, sind wir dazu gerne bereit – vorausgesetzt, es lassen sich Ressourcenfresser wie die teure Gemeinschaftsschule oder die unnötige Teilrückkehr zu G9 außen vor halten.

Dr. Schmids zweites Rätsel ist schon schwieriger zu lösen. Es ergibt sich aus zwei Verlautbarungen.

16. Oktober: SPD-Kultusminister Stoch verkündet in einer Pressemitteilung stolz, dass 108 Anträge für die dritte Tranche der Gemeinschaftsschule vorlägen. Zitat:

 “Die Zahl der Anträge für die   dritte Tranche der Gemeinschaftsschule macht nicht nur die Attraktivität   dieser neuen Schulart in den Kommunen deutlich, sie zeigt auch, dass die   Gemeinschaftsschule bereits nach zwei Jahren im Land verankert ist”

Und am 18. Oktober spricht sich SPD-Chef Schmid auf dem Parteitag in Reutlingen für einen Schulfrieden aus.

Ja was denn nun? Denn als Schulfrieden fördernde Maßnahme kann die stolze Ankündigung der dritten Tranche der GMS ja wohl nicht gelten. Es stellt sich die Frage, warum Grüne und SPD immer wieder den Frieden bemühen, obwohl sie gleichzeitig den GMS-Ausbau mit aller Macht vorantreiben.

Vielleicht erhoffen sie sich davon allgemein Zuspruch von Menschen, die den Frieden lieben. Da muss man allerdings die Frage stellen: Wer liebt den Frieden nicht? Vielleicht richtet sich das Friedensangebot aber auch an Eltern, Lehrer und Schüler, Schulleitung und Schulträger, die einfach nur in Ruhe ihre Arbeit machen wollen und von Schulstrukturdiskussionen verständlicherweise genug haben.

Es rächt sich jetzt, dass Sie von Grün-Rot nicht den evolutionären Weg bei Ihren Reformen gewählt haben, sondern den revolutionären. Und dass Sie es vorgezogen haben, allen Ihre Konzepte überzustülpen statt es mit seriöser Überzeugungsarbeit zu versuchen. Denn letztlich sind es doch die am Bildungsleben Beteiligten, über die die Koalitionspartner mit ihrem Tunnelblick-Politik eine ganze Menge Unbill gebracht haben. Da war eine völlig überstürzte und unüberlegte Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung, da war die die Einführung der Gemeinschaftsschule unter Ausnutzung der demographischen Not vieler Gemeinden, da war der sinnfreie Kompromiss einer Rückkehr zu G9 an 44 Gymnasien. Das heißt, Grün-Rot hat nicht der Opposition den Krieg erklärt, um im Bild zu bleiben, sondern dem baden-württembergischen Bildungswesen und seinen Beteiligten. Wenn die Koalitionäre nun die Opposition rufen, um den angerichteten Schlamassel wieder auszulöffeln, sind  CDU und FDP/DVP im Grunde genommen die falschen Adressaten für das Friedensangebot. Das sollten Grüne und SPD vielmehr an die Bürgerinnen und Bürger richten, die ihre missglückte Bildungspolitik ausbaden müssen. Wie schon der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion betont hat, sind wir Liberalen trotzdem gerne bereit zu Gesprächen mit der Regierung. Einen tragfähigen Frieden könnten Grüne und SPD nach unserer Auffassung allerdings nur schaffen, indem die einzelnen Bildungsregionen konsequent alle ihnen zustehenden Deputate zusammen mit der Entscheidungsverantwortung über die Einrichtung ihres Bildungsangebots übertragen bekämen. Dann würden die Verantwortlichen vor Ort ein der Nachfrage entsprechendes Schulangebot einrichten. Das würde vermutlich in den meisten Fällen vielfältig ausfallen, z.B. eine Verbundschule Werkreal- und Realschule neben einer Gemeinschaftsschule, unterschiedliche Ganztags- und Inklusionsangebote. Es versteht sich von selbst, dass die dritte Tranche der Gemeinschaftsschulen gestoppt werden müsste, damit nicht noch mehr Tatsachen geschaffen und die regionale Schulentwicklung völlig ad absurdum geführt würde. Die Verantwortlichen vor Ort benötigen mehr Flexibilität und Entscheidungsfreiheit und nicht starre Strukturvorgaben wie die vielerorts so gerne propagierte Zwei-Säulen-Lehre, die schlicht das Aus für erfolgreiche Schularten wie die Realschule oder die beruflichen Schulen bedeuten würde. Eine regionale Schulentwicklung, die ihren Namen auch verdient, wäre deshalb nach Auffassung der FDP/DVP-Fraktion die wirksamste Frieden schaffende Maßnahme, die die Landesregierung ergreifen könnte.“

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