Pressemitteilung

02.Dezember 2008

Noll: Gesundheitsreform schwächt unser Gesundheitswesen

Höherer Beitrag, weniger Leistung, mehr Zuzahlung – „Der Gesundheitsfonds, der am 1. Januar 2009 in Kraft zu eingeführt wird, trifft das baden-württembergische Gesundheitswesen ins Mark“, sagte der Fraktionsvorsitzende der FDP/DVP-Landtagsfarktion, Dr. Ulrich Noll, anlässlich der von seiner Fraktion beantragten aktuellen Landtagsdebatte „Folgen der Gesundheitsreform für Baden-Württemberg“.

Gesundheitsreform sei einerseits grundsätzlich abzulehnen, da sie keines der angestrebten Ziele erreiche. Die Finanzbasis werde auf keine nachhaltige Grundlage gestellt. Die letzten Wettbewerbselemente des Gesundheitswesens würden zugunsten einer Staatsmedizin aufgegeben. Die Regulierungsdichte werde noch erhöht. „Der Fonds soll nach meinen Informationen mindestens doppelt so viel Bürokratie und damit Kosten verursachen wie das bisherige System, was einen Sprung von 1,3 Milliarden auf 2,5 Milliarden Euro bedeuten würde. Dieses Geld wird in der Patientenversorgung fehlen“, sagte Noll„Konkret für Baden-Württemberg ist aber besonders dramatisch, dass die schon vorhande-nen Ausgleichsmaßnahmen nun auf die Spitze getrieben werden“, so Noll. Trotz einer Kon-vergenzklausel, die eine übermäßige Belastung der einzelnen Bundesländer verhindern sollte, werde sich der Mittelabfluss in wenigen Jahren auf jährlich 380 Mill. Euro erhöhen. Bisher seien bereits ca. 900 Mill. Euro über den Risikostrukturausgleich der Krankenkassen in andere Bundesländer abgeflossen. Dies entspricht ungefähr dem Betrag, den Baden-Württemberg in den letzten Jahren jährlich in die Krankenhausinvestitionsförderung investiert hat. Mit dem Gesundheitsfonds wird auch die Vergütung ambulanter Leistungen neu geregelt. 3 Milliarden Euro mehr wurden für den Bereich zur Verfügung gestellt. Während aber z. B. in Thüringen der Zuwachs für die ambulante Medizin 24, 6 Prozent entspricht, kommen von dem Geld in Baden-Württemberg nur 2, 5 Prozent an. Wenn man die Kostensteigerungen daneben hält, entspricht dies unter dem Schnitt für den ambulanten Bereich einem Realverlust. Bereits im Jahre 2006 bezifferte das Finanzministerium Baden-Württemberg den jährlichen Verlust Baden-Württembergs durch die Summe aller Ausgleichszahlungen an andere Bun-desländer und unterproportionale Zuweisungen von Seiten des Bundes auf ca. 22 Milliarden Euro. „Die Liberalen stehen zu einer gesamtgesellschaftlichen Solidarität, aber irgendwann ist auch eine Grenze erreicht. Ich würde mich freuen, wenn der Schwerpunkt der Gesundheitsreform auf einer möglichst qualitativ hohen Gesundheitsversorgung für möglichst viele Menschen gelegen hätte und nicht die Gleichheit der Versorgung für alle gesetzlich Versicherten die oberste Maxime gewesen wäre“, sagte Noll.„In den bundesweit vorbildlichen medizinischen Versorgungsstrukturen in Baden-Württemberg wird der gravierende Mittelabfluss deutliche Spuren hinterlassen“, so Noll. Noch hätten die Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs die höchste Lebenserwartung und durchschnittlich die beste Gesundheit. Er hoffe, dass sich diese Zahlen als Folge der Gesundheitsreform in den nächsten Jahren nicht dem bundesdeutschen Durchschnitt angleichen werden. Durch den politisch festgelegten Einheitskassensatz von 15,5 % werden die allermeisten Baden-Württemberger deutlich mehr belasten. „Bei einer alternden Gesellschaft und einem rasanten medizinischen Fortschritt, wäre es unredlich zu behaupten, dass unser Gesund-heitswesen in Zukunft billiger würde“, so Noll. „Wenn uns das Sozialministerium in einer Großen Anfrage der FDP/DVP-Landtagsfraktion mit dem Titel „Die Folgen der Gesundheits-reform auf Baden-Württemberg“ (Drs. Nr. 14/3262) vorrechnet, dass auf die baden-württembergischen Arbeitgeber durch die Gesundheitsfonds Mehrkosten von etwa 280 Mill. Euro zukommen und sich damit Arbeit bei uns verteuert, zeigt dies, dass die Gesundheitsreform die strukturellen Fehler unseres Gesundheitswesens weiter verstärkt. Nachhaltige generationengerechte Sozialsysteme werden wir nur erreichen, wenn diese von den Kosten der Arbeit getrennt werden und mehr eigene Verantwortung den Bürgern überlassen werde. Leider fehlt der sogenannten Großen Koalition dazu der Mut“, sagte Noll. Die geplante Einführung des so genannten Gesundheitsfonds komme einer „sozialistischen Einheitskasse und Staatsmedizin“ gleich. Durch staatlich festgelegte Einheitsbeiträge werde den Krankenkassen das letzte Stück Freiheit geraubt, das es im Gesundheitswesen noch gebe. Bis jetzt seien die Krankenkassen über ihre Selbstverwaltung noch berechtigt gewesen, Haushalte aufzustellen und im Rahmen gesetzlicher Vorgaben Beiträge festzulegen. Durch planwirtschaftliche Kollektivregelungen seien die Probleme nicht in den Griff zu be-kommen. „Wir müssen auf dem Weg umkehren und mehr Verantwortung denen geben, um die es uns geht: Patienten und ihren Ärzten, Versicherten und deren Versicherungsunternehmen“ sagte Noll. „Wenn wir den Krankenkassen die Chance nehmen, bei gutem Wirtschaften, qualitätsvollen Strukturen und Investitionen in Prävention, einen niedrigeren Beitragssatz festzulegen, wo soll da noch Wettbewerb sein?“ Die so genannte Große Koalition treibe Ärzte und Krankenhäuser mit ihrer Reform weiter in die Ethikfalle. Einerseits solle der Arzt sich alleine auf das Patientenwohlkonzentrieren, an-dererseits müsse er stets ein gedeckeltes Budget im Auge haben. „Wir alle wissen, dass selbst das bestorganisierte Gesundheitswesen nicht alles Wünschenswerte wird finanzieren können“, bedauert Noll. „Leider hat sich die Bundesregierung bisher vor der Beantwortung der Frage gedrückt, welche Leistungen auf Dauer überhaupt noch solidarisch finanziert wer-den können und schiebt die Entscheidung, wer welche Leistung erhält, den einzelnen Ärzten zu. Es ist unredliche Politik, allen alles zu versprechen, die notwendigen Finanzierung aber nicht zu gewährleisten und damit eine schleichende Rationalisierung von Leistungen in Kauf zu nehmen“, so Noll. Auf Druck der FDP/DVP-Landtagsfraktion hatte Baden-Württemberg der Gesundheitsreform der so genannten Großen Koalition im Bundesrat nicht zugestimmt.

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