Pressemitteilung

15.März 2007

Rülke: Baden-Württemberg braucht kein Tarif-Treuegesetz

Neues Gesetz würde Wettbewerb ausschließen und Bauaufträge verteuern – In einer Landtagsdebatte lehnte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP/DVP-Landtagsfraktion, Dr. Hans-Ulrich Rülke ein von der SPD beantragtes baden-württembergisches Tariftreuegesetz für öffentliche Dienstleistungs- und Bauaufträge ab. Rülke erklärte unter anderem:

„Das Bundesverfassungsgericht hat im Juli 2006 grundsätzlich entschieden, dass Tarif-Treueregelungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Im konkreten Fall ging es um eine Berliner Regelung. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass weder das Grundrecht der Koalitionsfreiheit noch die Berufsfreiheit verletzt wird. Dazu zwei Anmerkungen: Erstens, nur weil eine Regelung nicht gegen die Grund-rechte verstößt, ist das noch lange kein Grund, sie gleich einzuführen. Zweitens, ich halte es nicht für sinnvoll, wenn sich Baden-Württemberg in Zukunft wirtschaftspolitisch an Berlin orientiert. So arm wie Herr Wowereit wollen wir nie werden. Und ob wir sexy sein wollen, ist auch noch nicht ausdiskutiert. Einer der Vorteile des Föderalismus ist, dass man aus den Fehlern, die in anderen Bundesländern gemacht wurden, lernen kann. Das gilt natürlich nur, wenn man den Mut hat, seine Freiheiten auch zu nutzen. Wenn wir über die Landesgrenzen schauen, sehen wir, dass einige Länder in den letzten Jahren Tariftreuegesetze beschlossen haben. Da stellt sich doch die Frage, welche Erfahrungen diese Länder mit solchen Tariftreugesetzen gemacht haben? Schauen wir uns zum Beispiel Sachsen-Anhalt an. Dort hat das Tariftreuegesetz knapp ein Jahr überstanden, bevor man den Fehler einsah und es wieder abgeschafft hat. Das ein Gesetz nach nur einem Jahr wieder aufgehoben wird, muss einem doch zu denken geben. Auch in Nordrhein-Westfalen verhielt es sich ganz ähnlich. Hier galt das Gesetz zwar immerhin vier Jahre lang. Aber als weg war, waren alle froh darüber: Wirtschaft, Kommunen und Arbeitnehmer. Den einzigen Schluss, den man aus einer solchen Entwicklung ziehen kann, ist folgender: Das Tariftreuegesetz hat sich als untaugliches bürokratisches Gebilde erwiesen. Wir müssen froh sein, dass wir in Baden-Württemberg nie ein Tariftreuegesetz gehabt haben. Die SPD hier im Hause sieht es anders und legt uns heute ein Tariftreuegesetz vor, zu einem Zeitpunkt in dem andere Länder froh, sind es wieder abgeschafft zu haben. Man sollte sich nun die Frage stellen, weshalb die anderen Länder dieses Gesetz wieder abgeschafft haben: Die vom Tariftreuegesetz verfolgten Schutzziele für Arbeitskräfte im Baugewerbe werden durch die gesetzlichen Mindestlohnregelungen wesentlich wirkungsvoller erreicht. Unabhängig von der Frage, wie man die Mindestlohnregelungen bewertet, erschließt sich mir nicht, was es bringen soll, parallel dazu nun noch ein Tariftreuegesetz explizit für Bauaufträge zu installieren. Ganz abgesehen davon haben die Tariftreuegesetze in der Praxis weder positive Auswirkungen auf die Entwicklung der Beschäftigungsverhältnisse im Bau-hauptgewerbe gehabt, noch sind Auswirkungen auf die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen festzustellen gewesen. Tariftreuegesetze führen auch zu erheblichen Anwendungsproblemen. Ein Beispiel ist die Auswahl der relevanten Tarifverträge, wenn am Ort der Leistungsausführung mehrere Tarifverträge einschlägig sind. Im Anwendungsbereich des ÖPNV hat das in den genannten Ländern zu vielfältigen Unklarheiten geführt. Das komplexe System des Tarifrechts hat eigene Gesetzlichkeiten und kann dem Vergaberecht nicht übergestülpt werden. Tariftreuegesetze nutzen den Arbeitnehmern nachweislich nicht, lösen dafür aber horrende Bürokratiekosten aus und schaden somit den Kommunen und den betroffenen Unternehmen erheblich. Ein Tariftreuegesetz, das die öffentlichen Arbeitgeber verpflichtet, Aufträge nur noch an solche Unternehmen zu vergeben, die die am Ort der Leistungsausführung gültigen Tarifverträge einhalten, ist nichts anderes als ein staatliches Verbot echten Wettbewerbs zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Unternehmen und Betrieben. Aufgabe der Politik ist es nach meiner Auffassung, günstige Rahmenbedingungen zu schaffen. Dafür müsste man zum Beispiel das Steuersystem verändern, wie es uns ja versprochen wurde. Man müsste dafür sorgen, dass die Lohnnebenkosten wirklich sinken. Und man müsste bessere Arbeitsmarktbedingungen schaffen. Das Tariftreuegesetz leistet dies alles nicht. Es fördert inflationäre Tendenzen, da es Wettbewerb ausschließt. Es verteuert öffentliche Bauaufträge um mindestens fünf Prozent im Durchschnitt. Und es verschenkt Preissenkungs- sowie Innovationsspielräume im öffentlichen Nahverkehr. Ein solches Gesetz würde einen enormen Verwaltungs- und Kontrollaufwand auslö-sen, für den die Städte und Gemeinden nicht gerüstet sind. An die Stelle eines marktwirtschaftlichen Leistungswettbewerbs wird eine wuchernde Kontrollbürokratie treten. Wettbewerber würden zur gegenseitigen Denunziation ermuntert. Paragraph 97 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, der die Anforderungen an Unternehmen im öffentlichen Auftragswesen ausschließlich an Sachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit misst, hat sich grundsätzlich bewährt. Wir plädieren eben nicht dafür, das öffentliche Vergaberecht durch vergabefremde Kriterien für andere Zwecke zu instrumentalisieren. Daher lehnen wir den Gesetzentwurf der SPD ab.“ Hans Ilg, Pressesprecher

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