Pressemitteilung

14.Dezember 2020

Rülke: Gescheiterte Wellenbrecher-Strategie und verschlafener Sommer Ursachen für Totallockdown

Dr. Hans-Ulrich Rülke

Schutz von Risikogruppen und Vorsorge für zweite Welle wurde vernachlässigt.

 

In der Aussprache in der Sondersitzung des Landtags zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zu den Corona-Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz übte der Vorsitzende der FDP/DVP Fraktion, Dr. Hans-Ulrich Rülke, Kritik an den bisherigen Irrtümern und Versäumnissen der Regierung bei der Bekämpfung der Pandemie. Er warf der Landesregierung vor, mit zwei Fehlleistungen nun den Lockdown erzwungen zu haben: Zum einen mit der falschen Strategie, auf Eindämmung statt Schutz der Risikogruppen zu setzen und zum anderen, den Sommer „verschlafen zu haben“. Grund dafür sei, dass Ministerpräsident Kretschmann mit solch einer zweiten Welle nicht gerechnet habe, wie dieser selbst zugegeben hätte.

„Es ist Ihnen nicht gelungen, besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen zu schützen, beispielsweise in Alten- und Pflegeheimen“, so Rülkes Vorwurf. Erkrankungen bei älteren Menschen verliefen häufiger schwerer und seien ein zentraler Faktor bei der Belegung der Intensivbetten, stellte Rülke fest. Dringend notwendige Verbesserungen, beispielsweise bei der Corona-Warn-App oder bei den digitalen Möglichkeiten an Schulen und deren Ausstattung mit Luftfiltern, seien nicht vorangekommen.

Rülke erinnerte an seine Rede vom 30. Oktober zur damaligen Ministerpräsidentenkonferenz, bei der er sich kritisch mit den Schließungen im gastronomischen Bereich auseinandersetzte und gewarnt hatte: „Wenn Sie den Menschen verbieten, sich an Orten zu treffen, wo der Infektionsschutz gewährleistet ist, werden sie in andere Bereiche abgedrängt, wo das nicht gewährleistet ist. Dann erreichen Sie eine Förderung des Infektionsgeschehens und keine Eindämmung“, so Rülke in seiner damaligen Aussage. Dies habe sich bestätigt, die Infektionszahlen stiegen wegen der Schließungen und der Löwenanteil der Infektionen erfolge im privaten Bereich.

Besonders schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen seien hingegen nicht in den Fokus genommen worden – ein konsequentes Schnelltestsystem in Alten- und Pflegeheimen fehle beispielsweise. „Ich rate den Grünen dringend, nach Tübingen zu fahren und vom dortigen Oberbürgermeister Boris Palmer zu lernen, der von Ihrer Partei immer geschmäht wird“, empfahl Rülke.  Dort wird das Personal in den Altenheimen seit September regelmäßig getestet und seit Oktober wurden Schnelltests von der Stadt gekauft, um Besucher und Bewohner regelmäßig zu testen. Alle über 65 Jahren bekamen kostenlose FFP 2 – Schutzmasken zugeschickt. Das Ergebnis sei, stellt Rülke fest, dass es zuletzt bei den über 75-Jährigen keine Erkrankungsfälle mehr gab. In der dortigen Uni-Klinik sind nicht zuletzt deshalb nur sehr wenige Corona-Patienten. „Hätte man das gemacht, was wir empfohlen haben und Boris Palmer in Tübingen mit der Ärztin Lisa Federle frühzeitig mit den gezielten Schutzmaßnahmen für Senioren und Pflegebedürftige umsetzte, wäre die jetzige Situation zu vermeiden gewesen. Man hätte jede Art von Lockdown verhindern können, wenn man Kontakte auf moderne Art verfolgt hätte und Risikogruppen wie in Tübingen wirksam geschützt hätte.“, so Rülke. Nun bliebe aufgrund der falschen Strategie und des verschlafenen Sommers nichts weiter übrig als der Totallockdown. Rülkes Forderung: „Wir müssen endlich von der Containment- zur Protektionsstrategie!“

Rülke legte dar, dass die FDP/DVP Fraktion nicht alle Punkte des gestrigen Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz ablehne. So weise der Punkt, der sich mit Schutzmaßnahmen für Alten- und Pflegeheimen sowie mobilen Pflegediensten beschäftige (Punkt 11) in die richtige Richtung einer von ihm geforderten Protektionsstrategie. Auch der Appell an die Bürger, nach Möglichkeit von Auslandsreisen abzusehen und für diese Fälle Kontroll- und Quarantäneregelungen zu schaffen (Punkt 13) unterstütze die FDP/DVP Fraktion.

Der Bereich Unterstützung der Wirtschaft (Punkt 14) bleibe bedauerlicherweise unklar. Rülke kritisierte ausdrücklich, dass das Instrument des Verlustrücktrag nach wie vor unberücksichtigt bliebe, obwohl es zielgenau und wirklich hilfreich wäre. „Was ist mit den mittelbar vom Lockdown betroffenen Branchen, beispielsweise den Zulieferern der von den Schließungen betroffenen Betriebe?“, so Rülke kritisch, „auch darüber wird geschwiegen – folgenschwer für viele Beteiligte“.

In anderen Punkten sei das Papier unlogisch, so Rülke. Es sei schwer erklärbar, wieso Schließungen der Kitas und Grundschulen vorgesehen seien, nachdem man selbst eine Studie in Auftrag gegeben hatte, die nachweise, dass kleine Kinder nicht die Träger der Infektion sind. Unverständlich sei, warum der Unterricht für Schüler ab Klasse 8 ab dem kommenden Mittwoch eingestellt werden solle. „Da ist schon viel Unterricht ausgefallen“, so Rülke, „hier wäre Fernunterricht besser“. Grund dafür sei, so Rülke kritisch, dass die Kultusministerin die Digitalisierung der Schulen verschlafen hätte.

Wenigstens müsse die Zeit des Lockdowns nun genutzt werden, um endlich eine Strategie über den Tag hinaus zu entwickeln, so Rülkes eindringliche Forderung. Dazu zähle eine flächendeckende Ausstattung von Alten- und Pflegeheimen sowie mobilen Pflegediensten mit FFP-2-Masken, außerdem obligatorischen Schnelltests für Besucher und Mitarbeiter sowie Ausstattung dieser Einrichtungen mit Luftfilteranlagen.

Rülke und die FDP/DVP Fraktion fordern die Einführung eines Ampelsystems für Maßnahmen im Sinne des Virologen Hendrik Streeck, das als Berechnungsgrundlage die Positiven-Testrate zusammen mit der stationären Belegung und der intensivmedizinischen Belegung vorsieht.

Eine Weiterentwicklung der Corona-App sei unabdingbar, stellte Rülke fest. Ziel müsse die bessere Nachvollziehbarkeit und die Optimierung des Austauschs mit den Gesundheitsbehörden sein sowie eine bessere Warnung von Kontaktpersonen sein.

Luftfilter und FFP-2-Masken im Schulbetrieb müssten ebenfalls ausreichend zur Verfügung stehen, so die Forderung der FDP/DVP Fraktion.

„Der Lockdown darf kein Dauerzustand sein“, betonte Rülke. Aus diesem Grund fordert die FDP/DVP Fraktion in ihrem Entschließungsantrag die Landesregierung auf, eine Öffnungsstrategie anhand klarer Kriterien zu entwickeln für die Zeit nach dem 10. Januar.

Entschließungsantrag_FDP_Totallockdown

Weitere Pressemitteilungen zum Thema