Pressemitteilung

22.Mai 2020
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Rülke und Haußmann: „Dunkelgelbe“ Karte für Minister Lucha in der Sonntag-Affäre

Dr. Hans-Ulrich Rülke

Minister Lucha setzte seinen Einfluss in zweckwidriger Weise ein, um seinem Kumpel Christoph Sonntag die Projektförderung aus Steuermitteln zu gewähren.


Nach neun Monaten Aufklärung zieht die FDP/DVP Fraktion eine vorläufige Bilanz in der Affäre um die Förderung der „Stiphtung“ Christoph Sonntag. Der Vorsitzende der FDP/DVP Fraktion Dr. Hans-Ulrich Rülke erklärt:

„Für die FDP/DVP Fraktion steht fest, dass Minister Lucha bis an die Grenzen des rechtlich Zulässigen – vielleicht auch darüber hinaus – ging, um seinem Freund Christoph Sonntag ein mit Steuergeldern üppig gefördertes Projekt zuzuschustern. Es spricht vieles dafür, dass Wünsche von Christoph Sonntag auf Geheiß des Ministers auf dem kurzen Dienstweg umgesetzt werden. Wo andere ehrenamtliche Akteure sich großem Konkurrenzdruck stellen müssen, wurden für Christoph Sonntag vergaberechtliche Vorgaben in einer politisch nicht mehr vertretbaren Weise ausgedehnt. Das Verhalten von Herrn Lucha mag rechtlich gerade noch so vertretbar gewesen sein. Für einen Minister handelte er aber inakzeptabel und kleinkariert.“

Die Kritikpunkte der FDP/DVP Fraktion im Einzelnen fasst der stellvertretende Vorsitzende der FDP/DVP Fraktion und Mitglied im Sozialausschuss Jochen Haußmann zusammen:

„Das zuständige Fachreferat im Sozialministerium wies frühzeitig darauf hin, dass der Verzicht auf sämtliche vergaberechtlichen Ausschreibungen juristisch auf ziemlich wackeligen Füßen stand. Die Landeszentrale für politische Bildung wurde vordergründig nicht wegen ihrer Expertise ins Boot geholt, sondern um die Verantwortung für das Projekt zu delegieren, falls es Probleme gebe. Die ‚Demokratietage‘ selbst hatten kaum einen Mehrwert. Dass die gewährten Steuermittel in überwiegender Zahl an Christoph Sonntag, seine Mitarbeiter oder dessen langjährige Geschäftspartner flossen, mag zwar nicht strafbar sein. Es dürfte das teuerste Projekt dieser Art gewesen sein. Es lässt sich aber gewiss sagen, dass dank der Offenlegung dieses Vorgangs durch die damalige Ehefrau von Herrn Sonntag, dem Steuerzahler viel Geld erspart wurde und wahrscheinlich erst dies die Verlängerung des Projekts verhinderte.

Minister Lucha traf sich mindestens drei Mal zu Abendessen mit Christoph Sonntag und wurde auch über das Projektgeschehen informiert. Gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit rückte er mit der Wahrheit immer nur scheibchenweise heraus, und dies nur in dem Umfang, in dem ihm die Vorwürfe ohnehin bereits nachgewiesen wurden. Er hatte keinen Aufklärungswillen, sondern fokussierte sich darauf, seine persönliche freundschaftliche Beziehung zu Christoph Sonntag zu verschleiern.

Völlig unglaubwürdig ist die Behauptung des Ministers, die Entscheidung über die Projektbeendigung und die erste Presseanfrage beim Sozialministerium hätten sich zufällig am 10.07.2019 ‚gekreuzt‘. Aus den Akten ergibt sich, dass für die Entscheidung über die Projektbeendigung an diesem einzigen Tag der Vorgang über fünf Schreibtische im Ministerium wanderte, einschließlich des Ministerialdirektors. Bei der üblichen Ministerialbürokratie wäre für so etwas eher eine Woche als ein Tag erforderlich gewesen. Auch fehlten zu diesem Zeitpunkt zentrale Dokumente, die das Ministerium erst zwei Tage später anforderte. Es gibt keine andere Erklärung für die überstürzte Projektbeendigung, als die, dass Herr Lucha um jeden Preis den Eindruck vermeiden wollte, das Projekt sei infolge einer Presseanfrage beendet worden.“

Daraus leitet Dr. Hans-Ulrich Rülke folgende Konsequenzen:

„Erst durch das das monatelange Drängen der FDP/DVP Fraktion auf Akteneinsicht und die Aufhebung der rechtswidrigen Einstufung als Verschlusssache, konnte über die Verwicklungen des Ministers öffentlich berichtet werden. Das Fehlverhalten von Herrn Lucha steht bereits aus den Unterlagen fest, ohne, dass dafür noch ein Untersuchungsausschuss erforderlich wäre. Die Vergabe eines Projekts in sechsstelliger Höhe ohne eine Ausschreibung an einen befreundeten Künstler, absolut fehlendes Aufklärungswillen, der Versuch der Verhinderung der Aktenherausgabe: die Liste der Verfehlungen von Herrn Sonntags ‚persönlichen Minischders‘ Lucha ist lang. Lediglich aufgrund der Corona-Pandemie, in der das Land einen handlungsfähigen Sozialminister benötigt, sehen wir von einer Rücktrittsforderung ab. Herr Lucha ist ab jetzt aber ein ‚Minister auf Abruf‘ und wir werden genau beobachten, wie sich der Fall in den nächsten Monaten weiterentwickelt. Ungeachtet dessen muss Minister Lucha dem Parlament und der Öffentlichkeit erklären, was er genau mit Herrn Sonntag besprochen hat, was dieser als eine Zusage für die Projektverlängerung deutete. Minister Lucha muss auch erklären, wieso das Projekt in aller Eile am 10.07.2019 beendet wurde, obwohl noch zentrale Unterlagen fehlten. Wir werden den Minister dazu im Sozialausschuss noch befragen. Herr Lucha hat als Beschuldigter in einem Strafverfahren ein Schweigerecht, gegenüber dem Parlament ist er als Minister aber zur Rechenschaft verpflichtet“

 

 

Hintergrund

Die öffentliche und politische Aufarbeitung der Lucha/Sonntag-Affäre dauert mittlerweile zehn Monate. Am 20.07.2019 erschien erstmals ein Bericht über mögliche Unregelmäßigkeiten bei einem Projekt der Stiphtung Christoph Sonntag („SCS“), das mit knapp 200.000 EUR aus dem Etat des Sozialministeriums finanziert wurde, davon gut 170.000 EUR an die SCS. Ursprünglich war alleine für die SCS eine Summe von 300.000 EUR bewilligt und davon bereits 211.000 EUR ausgezahlt. Die öffentliche Kritik richtete sich dabei auch gegen Sozialminister Lucha, dem vorgeworfen wurde, die Projektmittel nur aus freundschaftlicher Beziehung zu Christoph Sonntag bewilligt haben.

Noch am Tag, als die Vorwürfe erstmals publik wurden, stellte die FDP/DVP Fraktion einen ersten Berichtsantrag dazu. Fünf weitere Anträge und eine Kleine Anfrage der FDP/DVP Fraktion folgten. Das Thema wurde bislang in drei Sitzungen des Sozialausschusses beraten, darunter einmal in einer öffentlichen Sitzung. Auf Antrag der FDP/DVP fand im Oktober auch eine aktuelle Debatte im Landtag dazu statt.

Sozialminister Lucha versuchte zunächst, die Projektförderung als einen in allen Belangen korrekten Vorgang darzustellen und die Kritik der Opposition als haltlos abzutun. Die von Anfang an erhobene Forderung der FDP/DVP Fraktion, dem Parlament die Akten zu überlassen lehnte er zunächst entschieden ab. Erst unter dem Druck eines zur Abstimmung im Parlament eingebrachten Antrags im Oktober 2019 sicherte er zu, die Akten dem Landtag zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen. Nach Aktenüberlassung im Dezember 2019 wurden die Akten vom Sozialministerium zunächst pauschal als Verschlusssache eingestuft, mit der Folge, dass nichts über deren Inhalt berichtet werden durfte. Die FDP/DVP hat dies von Anfang an als einen rechtswidrigen Versuch gerügt, der Opposition bei der Aufklärung einen Maulkorb aufzuerlegen. Tatsächlich musste Minister Lucha nach weiterem beharrlichen Druck der FDP/DVP im Februar 2020 die Einstufung als Verschlusssache aufheben. Nun sind lediglich einzelne Abschnitte im Hinblick auf die persönlichen Rechte Dritter geschwärzt. Insgesamt können wir nun aber unsere Einschätzung mit Auszügen aus den Akten untermauern.

 

Kritikfelder im Einzelnen.

1.Das Projekt wurde am 10.07.2019 wegen der ersten Presseanfrage nicht verlängert und nicht, wie der Minister im Landtag und in schriftlichen Antworten behauptete, aufgrund eigener Entscheidung seines Hauses ohne Druck von Außen. Ob der ausführliche ministeriumsinterne Vermerk, der dieser Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, erst später entstand und auf den 10.07.2019 zurückdatiert wurde, oder aber die Entscheidung über die Nicht-Verlängerung des Projekts in einer vollkommen unüblich schnellen Geschwindigkeit innerhalb des Ministeriums noch am gleichen Tag fiel, kann anhand der Aktenunterlagen nicht zweifelsfrei festgestellt werden.

Am 10.07.2019 erfolgte eine erste Anfrage der Stuttgarter Nachrichten bei der Pressestelle des Sozialministeriums zu diesen Vorwürfen. Bereits seit zwei Wochen wurde der Vorgang ministeriumsintern zu diesem Zeitpunkt umfassend geprüft, nachdem die damalige Schwiegermutter von Christoph Sonntag mit einer E-Mail vom 26.06.2019 an Minister Lucha schwere Vorwürfe gegen den Künstler erhob. Den Akten ist eine umfangreiche Kommunikation zwischen der Landeszentrale für politische Bildung („LpB“) und dem Sozialministerium zu entnehmen.

Am 09.07.2019 führte der stellvertretende Direktor der LpB ein Telefonat mit dem Sozialministerium. Ausweislich einer Gesprächsnotiz stellte er „die zeitnahe Übersendung des Vertrags bzw. Zuwendungsbescheids zwischen der LpB und der ‚Stiphtung Christoph Sonntag‘“ in Aussicht. Hintergrund war, dass ein Jahr zuvor die SCS eine Zusage für einen vorläufigen Projektbeginn erhielt, die LpB aber offenbar vergessen hatte, einen förmlichen Bewilligungsbescheid auszustellen. Dies war erst bei einer Prüfung durch das Sozialministerium aufgefallen, als es um die Verlängerung des Projekts ging. Der 6-seitige Bewilligungsbescheid der LpB wurde per E-Mail am 09.07.2019 um 22:29 Uhr an den zuständigen Mitarbeiter im Sozialministerium verschickt.

Ausweislich des Datums sollen sich an einem einzigen Tag, dem folgenden 10.07.2019, folgende Abläufe im Sozialministerium ereignet haben, wobei hinzuweisen ist, dass es sich bei der Vorlage um ein Schriftstück und keine E-Mail handelte, diese also physisch zwischen den Beteiligten weitergeleitet werden musste:

  • Auswertung des 6-seitigen Bewilligungsbescheids der LpB;
  • Fertigung einer vierseitigen Vorlage des zuständigen Fachreferats des Sozialministeriums (große Teile sind geschwärzt), in der von einer Fortsetzung des Projekts abgeraten wird;
  • Weiterleitung an die Zentralstelle im Ministerium und Kenntnisnahme ebenda;
  • von der Zentralstelle Weiterleitung an Herrn Ministerialdirektor Prof. Dr. Hammann;
  • Ministerialdirektor Prof. Dr. Hammann, und nicht Minister Lucha, stimmt dem Vorschlag, das Projekt nicht zu verlängern, zu. Gleichzeitig wird die Fachabteilung von ihm angewiesen, die LpB über die Nicht-Verlängerung zu informieren;
  • Dieser Bitte wird ausgeführt und am gleichen Tag wird ein Schreiben (keine E-Mail) an die LpB verschickt, in dem ihr ohne Angabe von Gründen mitgeteilt wird, dass das Projekt nicht verlängert wird.

Wenn also das Datum 10.07.2019 korrekt ist, wurden innerhalb eines Tages sechs komplexe Arbeitsschritte vorgenommen. Bei vergleichbaren Vorgängen innerhalb eines Ministeriums wäre für so einen Ablauf wohl ca. eine Woche erforderlich gewesen. Die plötzliche Eile kann aus Sicht der FDP/DVP Fraktion nur damit erklärt werden, dass das Projekt unbedingt noch am 10.07.2019 beendet werden musste, weil es an diesem Tag die erste Presseanfrage der Stuttgarter Nachrichten gab.

Gänzlich unglaubwürdig ist die frühere Antwort von Minister Lucha auf die Berichtsbitte Ziff. 3 zu dem Antrag 16/7192 der FDP/DVP Fraktion. Dort erklärt der Minister, dass die Projektbeendigung und die erste Presseanfrage am gleichen Tag erfolgten, ein Zufall sei:

Die Anfrage des Journalisten überkreuzte sich mit der Erstellung des Abschlussvermerks der Haushaltsabteilung. Das Ministerium hat nichts verschwiegen.“

Die Hastigkeit der Entscheidung wird besonders offenkundig, weil wesentliche Dokumente im Sozialministerium noch fehlten und am 12.07.2019 per E-Mail von der LpB angefordert wurden. Hierzu gehörten:

  • Antrag auf Förderung der SCS;
  • der Projektzeitplan;
  • der Kosten- und Finanzierungsplan;
  • der Bescheid über den vorzeitigen Maßnahmebeginn;
  • Mittelanforderungen durch die SCS;
  • der Antragsprüfungsvermerk zum Zuwendungsbescheid vom 09.07.2020.

Ob vor diesem Hintergrund tatsächlich alle Entscheidungen am 10.07.2020 getroffen wurden, oder ob nicht rückwirkend die Bearbeitungszeitpunkte vordatiert wurden, lässt sich anhand der Akten nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Es ist jedenfalls erstaunlich, dass die Kommunikation, die in der Regel per E-Mail oder telefonisch geführt wurde, gerade aber die Projektbeendigung gegenüber der LpB lediglich mittels eines Briefes kommuniziert wurde, der eine Überprüfung des Versands nicht ermöglicht. Auffällig ist auch, dass im zeitlich nachgelagerten E-Mail Verkehr zwischen Sozialministerium und der LpB  im Zeitraum zwischen 12.07.2019 und dem 15.07.2019 in keiner Weise Bezug auf die Beendigung des Projekts genommen wurde

Die FDP/DVP Fraktion wird in den abschließenden Beratungen unserer Anträge im Sozialausschuss von Minister Lucha eine Aufklärung zu dieser Diskrepanz fordern.

 

2. Landeszentrale für politische Bildung („LpB“) wurde insbesondere zwischengeschaltet, um vergaberechtliche Vorschriften zu umgehen, damit das Projekt konkurrenzlos an die Stiphtung Christoph Sonntag („SCS“) vergeben wird; die fachliche Expertise der LpB wurde als Argument nur vorgeschoben.

22.01.2018: Das Referat Recht im Sozialministerium legt eine Prüfung vor, in welchem Umfang im Falle einer Direktvergabe des Projekts vom Ministerium an die SCS vergaberechtliche Vorschriften einzuhalten sind. Die Begründung wirkt sehr bemüht und zum Schluss erfolgt der Hinweis, dass die vergaberechtlichen Anforderungen umgangen werden könnten, wenn man das Projekt über die LpB abwickeln würde:

Aus der rechtlichen Beurteilung des Sozialministeriums:

– Von einer EU-weiten Ausschreibung könne bei einem Projekt dieser Größenordnung nur infolge einer Ausnahme für „u.a. administrative Dienstleistungen im Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und kulturellen Bereich“ abgesehen werden. Zwar fehle es zu dieser neuen Regelung noch an Rechtsprechung, „eine Subsumtion der zu beauftragenden Dienstleistung unter diesen Ausnahmetatbestand (erscheint) vertretbar“.

– Größere Schwierigkeiten bestehen aber mit nationalen rechtlichen Vergaberichtlinien. Zu beachten sei dabei insbesondere § 55 der Bundeshaushaltsordnung (§ 55 Landeshaushaltsordnung ist identisch), das lediglich in Ausnahmefällen, im konkreten Fall bei freiberuflichen Leistungen, eine Ausnahme vom Erfordernis einer öffentlichen Ausschreibung vorsehe:

Vergaberechtliches Fazit:

Die Beauftragung im Wege der freihändigen Vergabe ist rechtlich vertretbar. Die direkte Beauftragung von (…) (geschwärzt) unter Verzicht auf Vergleichsangebote müsste mit einem Alleinstellungsmerkmal des vorgesehenen Auftragnehmers bezüglich des gesamten (sic) Projekts begründet werden. Ob nach der vorgelegten (und ggf. angepassten) Konzeption ein solches anzunehmen ist, obliegt der dortigen Beurteilung. Sollte eine direkte Beauftragung erfolgen, wäre bei der Größenordnung des Projekts die Beteiligung der für den Auftragnehmer zuständigen Preisüberwachungsstelle (Regierungspräsidium) angezeigt.“ (zitiert aus dem Schreiben)

Sodann folgen bemerkenswerte drei Sätze, die nach Auffassung der FDP/DVP Fraktion durchaus als eine Anweisung zur Umgehung der vergaberechtlichen Anforderungen interpretiert werden kann:

Exkurs: Projektförderung (Abwicklung durch die Landeszentrale für politische Bildung)

Alternativ wäre eine Bezuschussung im Wege der Projektförderung zu erwägen. In diesem Fall ist Vergaberecht für das SM nicht einschlägig. Einzelheiten wären mit Referat 14 abzustimmen.“ (Hervorhebung durch FDP/DVP)

In den offiziellen Antworten geht das Sozialministerium mit keinem Wort auf eine Beauftragung der LpB zu diesem Zweck ein. Stattdessen wird auf angeblich fachliche Gründe für die Beauftragung der LpB verwiesen:

Das Ministerium für Soziales und Integration überträgt die Durchführung und Abwicklung von Projektförderungen vielfach auf andere Stellen. Die langjährige Erfahrung der Landeszentrale für politische Bildung in den Bereichen Demokratielernen und Beteiligung schien dem Ministerium für Soziales und Integration für den Programmerfolg von entscheidender Bedeutung.“ (Antwort auf Landtags-Drucksache 16/6819, Frage 7).

 

16.03.2018: In einer LpB internen E-Mail berichtet ein Teilnehmer von seinen Eindrücken über das erste Gespräch mit Vertretern des Sozialministeriums. Die LpB scheint alles andere als euphorisch über eine Beteiligung zu denken:

„(…) Dementsprechend hat das Sozialministerium den Wunsch geäußert, dass die LpB auch in diesem neuen Projekt eine große verwaltende Rolle übernimmt und ähnlich wie in den vermuteten vorhandenen Vorgängen Geld vom SM (Anm.: Sozialministerium) übernimmt und der Stiftung zuwendet. Meine interne Abfrage im FB (Fachbereich) Haushalt hat ergeben, dass dort keine solche Vorgänge bekannt sind. Es gibt indirekte Zusammenarbeiten mit der Stiftung (…). Aber eine Finanzierung der Projekte hat nicht stattgefunden. Frau XY (Name geschwärzt) vom SM habe ich mittlerweile darüber informiert, dass es keine Zusammenarbeit seitens der LpB gab und wir keinen Vorgang haben, auf den wir zurückgreifen können. (…) Abgesehen davon, dass hier einige Kommunikationspannen passiert sind, stehen wir vor dem Problem, dass jede Zusammenarbeit zwischen SM, LpB und Stiftung, bei der über die LpB Mittel fließen, grundständig erarbeitet werden muss, was sehr viel Zeit kosten wird. (…)

Von diesen ursprünglichen Zweifel war später nichts mehr zu finden. Offensichtlich waren die für die LpB bewilligten 50.000 EUR für die Projektbetreuung ausreichender Anreiz, mitzumachen. Welche Spannungen zwischen der LPB und dem Sozialministerium bestehen, zeigt der Umstand, dass bis heute Uneinigkeit über die genaue Abrechnungssumme des Projekts besteht.

 

3. Größere persönliche Einbindung des Ministers als bislang zugegeben

Bereits bekannt ist, dass das Projekt am 3.5.2017 bei einem dreistündigen Abendessen von Minister Lucha, Christoph Sonntag, und drei Mitarbeitern auf Rechnung des Sozialministeriums (Kosten laut Rechnung 299,80 €), eingefädelt wurde. Minister Lucha beteuerte stets, sich in der Folge nicht näher mit dem Projekt befasst zu haben, und die Abwicklung den Fachmitarbeitern überlassen zu haben.

Bereits vorher räumte der Minister ein, dass er, einmal mit seinem Sohn, in der Phase der Projektverlängerung am 09.12.2018 und 20.02.2019, zweimal zum Abendessen durch Herrn Sonntag eingeladen wurde. Dies sei ein „großer Fehler“ gewesen, allerdings seien die Treffen „im Kern privater“ Natur.

Diese Behauptung bezweifelt die FDP/DVP Fraktion, denn aus den Akten geht hervor, dass Christoph Sonntag kurze Zeit nach der zweiten Essenseinladung gegenüber der LpB von einer persönlichen Zusage des Ministers für eine Projektverlängerung berichtete

Dies geht aus einer E-Mail zwischen Mitarbeitern des SM vom 21.03.2019 hervor. Dort heißt es:

Ich bin etwas verwirrt, denn gestern rief mich XY (Name geschwärzt) von der LpB an, um sich dafür zu bedanken, dass das Projekt mit der Christoph Sonntag Stiphtung fortgesetzt wird – dies habe Herr Minister letzte Woche persönlich zu Herrn Sonntag gesagt.

Das Sozialministerium dementierte später eine solche Zusage. Aus unserer Sicht ist dies ein gewichtiges Indiz dafür, dass beim Abendessen am 20.02.19, mag dies im Übrigen tatsächlich privater Natur sein, auch über das Projekt gesprochen werden muss. Jedenfalls sind dem Landtag keine weiteren Treffen des Minister und Christoph Sonntag in dieser Zeit bekannt geworden.

Diese E-Mail vom 21.03.2019 wird noch am selben Tag hausintern an die dienstliche E-Mail-Adresse des Ministers weitergeschickt, der Minister darüber also persönlich informiert, verbunden mit dem Anschreiben:

Lieber Manne, da gibt es etwas Verwirrung, wir hatten ja am Montag kurz darüber gesprochen. Lass uns morgen kurz besprechen. Der Vermerk ist noch bei mir.“

Die Nachricht belegt zum einen, dass der Minister persönlich an der Entscheidung über die Projektförderung beteiligt war. Seine Kommunikation lief aber mündlich, nicht schriftlich ab. Der Satz „Der Vermerk ist noch bei mir“ bezieht sich auf den Vermerk vom 08.03.2019, in dem von einer Verlängerung abgeraten wurde, und der dem Minister persönlich übersandt wurde. Offenbar sollte erst mit dem Minister beraten werden, ob der negative Vermerk zu den Akten gegeben werden sollte oder nicht.

Dies zeigt, dass Minister Lucha wesentlich stärker in die Projektgenehmigung involviert war, als er eingeräumt hat. Vor dem Hintergrund seiner offenkundigen Freundschaft zu Herrn Sonntag, den Essenseinladungen und den hier aufgeführten Hinweisen auf weitergehende Einbindung des Ministers im Zusammenhang mit der Projektgenehmigung und einer etwaigen Projektverlängerung bleibt abzuwarten, zu welchem Schluss die staatsanwaltlichen Ermittlungen bezüglich des Ministers und Herrn Sonntag gelangen.

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