Pressemitteilung

04.Mai 2008

Theurer: FDP steht für bürgernahes, schlankes, freies und faires Europa

Landtag debattiert über Vertrag von Lissabon in Bedeutung für Baden-Württemberg – In einer Landtagsdebatte über den „Vertrag von Lissabon in seiner Bedeutung für das Land Baden-Württemberg“ sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und europapolitische Sprecher Michael Theurer unter anderem:

„Applaus für Guido Westerwelle – so leitete Michael Bergius in der Frankfurter Rund-schau seinen Kommentar zur Debatte über den Lissabon-Vertrag im Deutschen Bundestag ein und setzte den Kommentar fort: ‚Das kommt nicht alle Tage vor, aber wo der FDP-Chef recht hat, hat er recht. Wenn man das Beste nicht kriegen kann, soll man das Zweitbeste nehmen, hat er einen alten Adenauer-Spruch zitiert und damit eigentlich alles gesagt, was zur Causa EU-Reform zu sagen ist.’So weit das Zitat aus der Frankfurter Rundschau“ vom 25. April dieses Jahres. Da stellt sich doch die Frage: Was wäre eigentlich das Beste gewesen, wenn man das Zweitbest nimmt, was wir jetzt nehmen wollen, nämlich diesen Lissaon-Vertrag? Das Beste wäre aus der Sicht der FDP/DVP-Landtagsfraktion die Verfassung gewesen, ein europäischer Verfassungsvertrag. Er lag ja auch vor. An ihm haben Baden-Württemberger maßgeblich mitgewirkt.Die Freien Demokraten stehen seit den ersten direkten Europawahlen im Jahr 1979 als die Europapartei für ein bürgernahes, sich immer mehr vertiefendes, schlankes, freies und faires Europa. Die Liberalen Deutschlands und Europas haben in der Bundesrepublik Deutschland lange Zeit als einzige Partei immer konsequent für eine Verfassung für das vereinte Europa gekämpft. Nun ist diese Verfassung – das wurde bereits angesprochen – nicht gekommen, weil sie bei den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert ist. Dies hat einen Prozess des Nach-denkens in der Europäischen Union ausgelöst. Man hat wesentliche Teile dieses Verfassungsvertrages nun allerdings im Vertrag von Lissabon, dem neuen Grundla-genvertrag der Europäischen Union, verankern können, und das empfinden wir als FDP/DVP-Landtagsfraktion auch als sehr positiv. Allerdings ist der Vertrag nicht leicht lesbar, so hat die Süddeutsche Zeitung recht, die titelte: ‚Der Lissabon-Vertrag ist etwas für EU-Mechaniker. Der Bürger steht davor wie ein Ochs vor dem Berg.’Umso wichtiger erscheint es uns – und darin waren wir uns über alle Fraktionsgren-zen hinweg einig -, dass wir diesen Vertrag im Landtag diskutieren, dass wir nach-vollziehbar machen, wo wir die Vorteile sehen, dass wir aufzeigen, wo noch Hand-lungsbedarf besteht, und dass wir damit uns selbst und vor allen Dingen der Öffent-lichkeit, den Bürgerinnen und Bürgern, eine Diskussionsgrundlage geben, auf der jeder Bürger an der politischen Diskussion zur EU teilnehmen kann.Der Vertrag von Lissabon hat eine große Bedeutung für Baden-Württemberg, davon sind wir überzeugt. Denn es liegt im Interesse unseres wirtschaftsstarken Bundes-landes, dass die Handlungsfähigkeit des größer gewordenen Europas gestärkt wird. Ein Europa der 27 Mitgliedsstaaten braucht andere institutionelle Regelungen als ein Europa der 15, und noch ist die Erweiterung nicht abgeschlossen. Es bestehen kon-krete Verhandlungen mit Beitrittskandidaten – ich nenne nur Kroatien, ich nenne, jetzt auch ins Auge gefasst, Serbien, mit dem noch keine offiziellen Beitrittsverhand-lungen geführt werden, aber wo wir sicherlich der Meinung sind, dass Serbien ge-nauso wie Kroatien im Herzen Europas liegt und es wünschenswert wäre, wenn es gelänge, auch dieses Land in die Europäische Uni0on zu führen. Als Ständiger Aus-schuss des Landtags haben wir uns in der vergangenen Periode vor Ort in Zypern, im griechischen und im türkisch besetzten Teil, davon überzeugen können, dass es in Randlage der Europäischen Union auch noch Aufgaben zu bewältigen gibt – Stichwort EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei -, die große Fragen aufwerfen, von denen auch wir in Baden-Württemberg betroffen sind – nicht nur weil wir einen hohen Anteil an türkischstämmiger Bevölkerung haben.Der Vertrag von Lissabon stärkt die Handlungsfähigkeit der EU. In diesem Jahr kön-nen wir das 15-Jahr-Jubiläum des Binnenmarktes begehen und feiern. Wir haben in Baden-Württemberg als Exportland Nummer eins in Deutschland von diesem euro-päischen Binnenmarkt, den Liberale politisch maßgeblich gestaltet und vorangetrie-ben haben, profitiert. Wir sind darauf angewiesen, dass unsere leistungsfähige In-dustrie gute Exportmärkte findet. All dem dient natürlich auch eine leistungs- und handlungsfähige EU. Die Punkte des Vertrags sind angesprochen worden: doppeltes Mehrheitsprin-zip, die Stärkung des Demokratieprinzips durch die Stärkung des Europäi-schen Parlaments, aber auch der Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitgliedsstaa-ten. Da sehen wir große Vorteile für die Mitwirkung Baden-Württembergs über den Bundesrat in der klareren Kompetenzabgrenzung, die die Trennung in ausschließliche, konkurrierende und ergänzende Zuständigkeiten vorsieht. Das ist ein wichtiges Element, das schon im Verfassungsvertrag enthalten war und jetzt übernommen wird.Die Einschränkung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung ist eine wichtige Klarstellung, ebenso wie die Klarstellung, dass Zielbestimmungen keine Kompeten-zen der EU begründen. Wir sahen uns ja immer wieder der Situation ausgesetzt, dass die EU-Kommission das als Einfallstor benutzt hat, um Themen auf die Ebene der Europäischen Union zu ziehen. Wir haben die Subsidiaritäts- und Verhältnismä-ßigkeitsprüfung, und es ist für uns Liberale wichtig, dass das Subsidiaritätsprinzip gestärkt wird. Das heißt, diejenige Ebene, die vor Ort am nächsten Bürger ist, soll es regeln, und nur, wenn sie selbst es nicht regeln kann, soll es die darüber liegende Ebene regeln. Hier haben wir mit dem Vertrag von Lissabon einen entscheidenden Fortschritt erreichen können.Wir sind jetzt als Parlament gefordert, über den Europaausschuss diese Themen auch hier im Parlament zu diskutieren. Der Europaausschuss hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Themen, die auf europäischer Ebene in der Pipeline sind, zu diskutieren. Ich nenne die Bodenschutzrichtlinie, bei der wir Fraktionen übergreifend frühzeitig Alarm geschlagen haben, und bei der wir auf europäischer Ebene keine Gesetzgebungsnotwendigkeit sehen. Ich nenne die CO2-Minderung für Kraftfahr-zeuge, die für die baden-württembergische Automobilindustrie von entscheidender Bedeutung ist, und ich nenne das Grünbuch zur Stadtverkehrspolitik, wo wir der Auf-fassung sind, dass diese Kommunalpolitik ist und dass sich die EU da heraushalten sollte.Europa hat viele Vorteile für uns. Europa ist ein großer Wirtschaftsraum, es ist aber vor allem auch ein bedeutender Kulturraum. Wir sehen als Wermutstropfen, dass die Charta der Bürgerrechte nicht in den Grundlagenvertrag aufgenommen wurde. Wir hätten uns gewünscht, dass das Bekenntnis zum freien Binnenmarkt und zu einem fairen Wettbewerb aufgenommen worden wäre. Hier muss nachgearbeitet werden.Der Grundlagenvertrag kann nur ein erster Schritt zu einer weiteren Vertiefung der Europäischen Union sein, die am Ende hoffentlich doch in einen Verfassungsvertrag mündet – den wir als Liberale gerne auch den Bürgerinnen und Bürgern in Deutsch-land zur Abstimmung geben würden. Wir sind der Meinung: Das Ziel muss nach wie vor sein, die Verfassung für Europa in einer Volksabstimmung durch die Bürgerinnen und Bürger verabschieden zu lassen.“Hans Ilg, Pressesprecher

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