Pressemitteilung

28.Juni 2006

Theurer: Realistische Verbesserung – aber nicht der große Wurf

FDP/DVP-Landtagsfraktion trägt Föderalismusreform mit – Leichtes Chancenplus trotz zahlreicher Bedenken „Die FDP/DVP-Fraktion trägt die Föderalismusreform als ersten Schritt zur notwendigen Entflechtung von Kompetenzen und zu mehr Wettbewerb zwischen den Bundesländern mit. Um es vorweg zu sagen: die Föderalismusreform, die nach jahrelangen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern und vor allem nach dem Tauziehen innerhalb der schwarz-roten Koalition in Berlin nun verabschiedet werden soll, erfüllt die Erwartungen nicht. Die Reform ist eine realistische Verbesserung – aber nicht der große Wurf.

Seit Jahren wird die Reformblockade zwischen Bundesregierung und Bundestag einerseits, Ländern beziehungsweise Bundesratsmehrheit andererseits beklagt. Seit Jahren fordern Fachleute, die Entscheidungsebenen zu entflechten, Kompetenzen entweder ein-deutig dem Bund oder den Ländern zuzuordnen. Im Ziel waren sich dabei alle Beteiligten einig, dass nur durch diesen Neuzuschnitt der Zuständigkeiten, die Transparenz politischer Entscheidungen erhöht, Verantwortlichkeiten besser zugeordnet werden können und so notwendige Reformen erleichtert und vor allem beschleunigt werden können. In der konkreten Ausgestaltung der Reform gingen und gehen die Meinungen jedoch weit auseinander. Herausgekommen ist ein Kompromiss. Dieser Kompromiss ist nach Ansicht der FDP-Landtagsfraktion ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Führende Vertreter der FDP Baden-Württemberg gehörten zu den ersten, die eine grundlegende Reform des deutschen Föderalismus gefordert haben. Die FDP/DVP-Landtagsfraktion hat deshalb die Föderalismusreform mit ihren Möglichkeiten nach Kräften gefördert. Nach einer nüchternen sachlichen Abwägung der nun vorliegenden Reform sehen wir ein leichtes Chancenplus trotz erheblicher Bedenken und weiterer Handlungsbedarf besteht fort. Die Vorteile liegen in einer Entflechtung der Aufgaben von Bund und Ländern. Waren bisher ca. 60% aller Gesetztenwürfe auf Bundesebene im Bundesrat zustimmungspflichtig, so wird dies durch die Reform auf 35-40% reduziert, ein Gutachten des wissenschaftli-hen Dienstes des Deutschen Bundestags spricht sogar von 25%. Die Länder geben also eine ganze Reihe von Mitwirkungs- und Mitgestaltungsmöglichkei-ten an den Bund ab. Ganz auf den Bund gehen zum Beispiel die Zuständigkeiten bei der Terrorismusbekämpfung, die Kompetenz für Naturschutz und Landschaftspflege, sämtliche Zuständigkeiten beim Melde- und Ausweiswesen, der Schutz des deutschen Kulturguts, das Waffen- und Sprengstoffrecht sowie die Kernenergie über. Dafür erhalten die Länder mehr Kompetenzen im Beamtenrecht und neue Kompetenzen im Demonstrationsrecht, beim Strafvollzug, Heim-, Ladenschluss- und Gaststättenrecht. Von zentral wichtiger Bedeutung ist vor allem jedoch, dass die Länder weitgehende Entscheidungsbefugnis in ihrem schon jetzt originären Bereich, der Schul- und Hochschulpolitik erhalten. Positiv ist zu vermerken, dass der Bund künftig die Möglichkeiten der Länder nicht mehr durch ein Hochschulrahmengesetz beschränken darf und dass auch die Ge-meinschaftsaufgabe für den Hochschulbau beendet wird. Bedauerlicherweise jedoch bleibt der Goldene Zügel des Bundes im Forschungsbereich erhalten – das ist eine eindeutig verpasste Chance. Die FDP-Landtagsfraktion ist zutiefst davon überzeugt, dass die Landesregierung und der Landtag die neu gewonnen Handlungs- und Entscheidungsspielräume kreativ und innovativ ausnutzen wird, um die Spitzenstellung des Landes im Wettbewerb der Bundesländer und auch im Vergleich zu anderen europäischen Regionen zu halten und weiter auszu-bauen. Ein großes Manko, wenn nicht der Webfehler dieser Reform schlechthin, ist jedoch, dass die dringend erforderliche Neugestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern einerseits und zwischen den Bundesländern andererseits nicht Gegenstand der aktuellen Reform ist, genauso wenig wie die von Ministerpräsident Oettinger in seiner Regierungserklärung zu Recht angesprochenen und von der FDP-Landtagsfraktion seit Jah-ren geforderten Länderneugliederung. Positiv ist zwar, dass künftig Städten und Gemeinden durch Bundesgesetze keine Kosten mehr übertragen werden dürfen. Im Ansatz positiv ist auch, dass mit der Reform die Länder auch in den europäischen Stabilitätspakt eingebunden sind und so die Haushaltskonsolidierung auch von dieser Seite Unterstützung erfährt. Die so dringend erforderliche Neuordnung der Finanzbeziehungen bleibt aber der zweiten Stufe der Föderalismusreform vorbehalten. Aber wir brauchen dringend eine Reform des Länderfinanzausgleichs. Es kann nicht sein, dass Baden-Württemberg und andere Nettozahlerländer ihre Haushalte unter Schmerzen konsolidieren und andere Länder durch die Transfers aus dem Finanzausgleich und noch zusätzlichen Bundesergänzungszuweisungen aus dem Bundeshaushalt Wohltaten an die Bürger verteilen. Es ist unerhört, wenn von rund 300 Millionen Euro Steuermehreinnahmen im Jahr 2005 lediglich 24 Millionen Euro beim Land verbleiben. Dies ist in Baden-Württemberg niemandem mehr zu vermit-teln. Solche Schieflagen sind auf Dauer auch eine Gefahr für das demokratische Gefüge und den Zusammenhalt in Deutschland. Man braucht hierzu nicht unbedingt den Blick nach Italien zu richten, wo die innenpolitischen Entscheidungen genau vor dem Hintergrund solcher Fragen zu schweren Verwerfungen geführt haben. Mein Fazit: – die Föderalismusreform ist notwendig, um die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern zu entflechten und Deutschland wieder reform- und handlungsfähig zu machen – die Länder verzichten auf eine ganze Reihe von Mitwirkungs- und Mitentschei-dungsrechten – die Stärkung der Länderzuständigkeit, insbesondere im Schul- und Hochschulbereich, aber auch bei Strafvollzug, Notariatswesen und im Gaststätten und Ladenschlussrecht stärkt den Landtag und das Land Baden-Württemberg und wird ausdrücklich begrüßt – die Reform ist aber lediglich ein erster Schritt in die richtige Richtung, es besteht weiterer dringender Handlungsbedarf. Die notwendige Neuordnung der Finanzbe-ziehungen zwischen Bund und Ländern und zwischen den Ländern untereinander ist unbedingt erforderlich und muss unverzüglich angepackt werden. Die Reform des Länderfinanzausgleichs ist unbedingt erforderlich!

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